26
Dez
2011

Still und starr ruht der See

„Magst du die Mama überhaupt?“ fragt die Mama. Das Kind schluckt. „Ja“, sagt es und „Ich liebe dich, Mama.“ Im Kindskopf geht es rund. Die nicht gesagten Worte knallen gegen die Wände. Wäre ich sonst hier? Und es ist gerade erst Halbzeit. Würde ich sonst die Haare streng zurückbinden, wie du es liebst? Zu Kleidungsstücken greifen, die du magst und mich freuen, wenn du mich hübsch findest? Mich, mein Leben, mein Sein, meine Wünsche verschweigen?

Gerade eben hatte die Mutter gesagt, dass sie sich einen Germguglhupf wünsche, wie von ihrer Mutter. Das hat sie schon früher gesagt, einmal vor einem Jahr etwa hat das Kind sogar einen gebacken, im Flugzeug mitgebracht, voller Vorfreude und begleitet vom Lächeln freundlicher Stewardessen, die gerührt waren vom originellen Handgebäck. Er hat nicht wirklich geschmeckt, wie er schmecken sollte, wie auch, war ja ein Kindertraumgugelhupf der Mutter, niemals würde ein Gugelhupf wohl wieder so schmecken, vielleicht kann sie sich deswegen nicht mehr daran erinnern, vielleicht erinnere ich mich deswegen so gut daran.

Sie spricht viel von ihren Eltern, der harten Kindheit, Opfern, Leiden, längst vergangenen Zeiten. Von „unserer“ Zeit spricht sie nie. An meinem Leben interessiert sie nur die äußere Form. Ich hab mir vorgenommen, ihr nicht vom Einen zu erzählen, um ihn, um mich, um uns, um die Liebe zu schützen, auch wenn es schwer fällt, weil ich so glücklich bin, das Glück gern teilen würde und ihm irgendwann mein Leben hier zeigen. Doch ich weiß, dass sie ihn, ihr Wissen benutzen würde, um mich zu verletzen, so schweige ich. Sie fragt auch nicht und so muss ich nicht lügen.

In der Weihnachtsnacht entkomme ich kurz. Zum Gotlkind darf ich, der kleinen Mimi und ihrer Familie. Die Kinder lachen und Prinzessin Mausezahn lädt mich ein, oben in ihrem Stockbett zu schlafen. Das ist mein schönstes Weihnachtsgeschenk, die Nacht im Kinderzimmer, im Stockbett, das hustende Mädchen unter mir. Die Erwachsenen machen mir Angst, ihre Bitterkeit, die Härte und da wie dort ist es wie Gehen auf dünnem Eis.

Still und starr ruht der See, dort wo ich meinem Vater begegne. Ihm erzähle ich von meinem Glück, meinem Leben, meiner Liebe und von damals, als ich Kind war. Und es scheint, als wäre er der Einzige hier, der sich an mich erinnern kann.

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"Mag die Mama mich überhaupt?" fragt sich das Kind... schon lange.
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20
Dez
2011

Vom Christbaum

Ich hatte vier Winter erlebt, bevor ich in die Baumschule kam. Von Anfang an hatte ich meinen fixen Platz in einer Reihe mit den anderen Tannen. Jeder von uns Nordmännern hatte genügend Raum, sich auszubreiten. Schafe grasten im Sommer zwischen uns, Schmetterlinge umtanzen unsere Wipfel und nachts erzählte uns unsere Lehrerin, die alte Eule, von unserer Bestimmung. Sicher wir würden nie so groß und mächtig werden wie unsere Artgenossen in freier Wildbahn, auch nicht so alt. Aber wir würden für das Fest der Liebe sterben; im Lichterglanz, feierlich geschmückt und erst später den Feuertod erleiden. Nie würde ein Specht sein Nest in uns hacken oder ein Marder seine Höhle in unseren Wurzeln bauen, keine Eichkätzchen würden unsere Zapfen abnagen. Wir würden von Parasiten verschont bleiben, von Waldbränden und der Sägemaschine.

Wir müssten nur gerade wachsen, erklärte uns die Eule, unsere Lehrerin, dem Mond entgegen und unsere Ästen rundum weit ausbreiten. Und wenn der Schnee schwer auf unseren Nadeln lastete, versprach uns die Eule, unsere Lehrerin, dass wir bald viel süßere Last tragen dürften: Bunte Kugeln und schillernde Vögel mit zarten Federn, Süßigkeiten und liebevoll gebastelte Strohsterne, da oder dort silbernen, blauen, roten Lametta – das sei wie Eiszapfen, glitzernd, nur federleicht, erzählte die Eule, unsere Lehrerin Sie beobachtete die Menschen durch ihre Fenster und hatte schon viele, viele Weihnachten gesehen. Er liebte es, ihren Geschichten - vorgetragen mit eindringlicher Stimme - zu lauschen. Und Kinderlachen versprach sie und glänzende Augen.

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Kinderlachen kannte er, denn oft tollten die Kinder der Bäuerin durch die Baumreihen, spielten Fangen und rissen sogar manchmal an den Ästen. Und auch glänzende Augen hatte er schon gesehen - bei dem Menschenpaar, das Hand in Hand durch die Baumschule spaziert war. Ob es das war, was die Lehrerin, die Eule, meinte, das Kinderlachen, die glänzenden Augen? Der Mond wurde ein paar Mal voll und leer, ein letzter Sommer ging vorüber, ein Kinosommer anderswo, ein Sommer voller Weihnachtsträume in der Christbaumakademie.

Es wurde Herbst und Laub verfing sich zu seinen Füßen. Mäuse und Hamster rannten mit ihren Vorräten durch die Reihen, der Wind zauste die stolz gespreizten Äste und nachts wehten Nebel. „Wie Engelshaar“, eulte die Eule, die weise Lehrerin: „Manchmal hängen sie auch Engelshaar in Eure Zweige und allerlei bunte Figuren, die glänzen im Kerzenlicht. Und dann zünden sie Sternspritzer an, das ist wie der Himmel mit all den Sternen und Schnuppen, nur viel, viel mehr.“ Er freute sich auf Weihnachten.

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Und doch war es ein schrecklicher Tag, als er gefällt wurde, seine Wurzeln verlor und gut verpackt zu seinen Kameraden, den anderen schönen Nordmännern, gelegt wurde. Und dann setzten sie sich in Bewegung, sie rieben sich aneinander, ächzten und stöhnten. Davon hatte ihre Lehrerin, die weise Eule, nichts erzählt. Er hatte sich nicht verabschieden können. Wie seltsam sich die Erde bewegte, an ihm vorbeizog, ein Christbaum unterwegs in Richtung Weihnachten.

Die Kinder hatten ihn ausgepackt, hatten seine Äste aufgerichtet, unterstützt von der Mutter, rotbäckig alle vier. Er stand auf einem großen Platz, mit anderen auf langen Stangen im Boden verankert. Das Licht war schön, Lichterglanz. Ob es das schon Weihnachten war, überlegte er, die Kinder lachten und die vorübergehenden Menschen bekamen immer glänzendere Augen. Es roch gut, doch manchmal bekam er ein paar Spritzer heiße, klebrige Flüssigkeit ab. Es roch gut. Trotzdem. Die Eule, seine alte Lehrerin, hatte mehr versprochen. Sie würden sich um ihn scharen, und das war wohl noch nicht scharen.

Ein großer Baum stand auch da, mächtig mit feuerlosen Kerzen geschmückt. Manchmal machte auch einer von ihnen, der nie die Baumschule besucht hatte, Karriere und landete in einer großen Stadt, als Superchristbaum am Weihnachtsmarkt, hatte die Eule, seine Lehrerin, nur einmal erwähnt. Er seufzte. Diese Karriere würde er wohl nie machen, aber bunte Kugeln und Lametta und glänzende Augen und Lachen und Sternspritzer und Süßigkeiten und Fest der Liebe…Voll Sehnsucht dachte er an die Eule, seine Lehrerin, und vermisste den eulenden SingSang ihrer Erzählungen.

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Da scharten sie sich plötzlich, nicht rasend viele Menschen, sechs davon, Männchen und Weibchen, auch das hatte ihnen die Eule, die kluge Lehrerin, erklärt, dass es Männchen gibt mit einem weiteren Ast und Weibchen, die zwei Eier vor sich hertragen. Und dass sie lange balzten, im Wald spazieren gingen und schnäbelten und sich dann balgten. Die Eule wusste alles von den Menschen. Auch dass sie ungeschickterweise keine Eier legten und ausbrüteten, um sich fortzupflanzen. Was wohl Tannen machten? Er hätte gerne gefragt und hat es nie.

Sie scharten sich um ihn, schwankend, aber musste man nicht schwanken, wenn man keine Wurzeln hat, tief in der Schulerde oder keine Flügel und Krallen, sich an den dürren Ästen festzuhalten? Hier schwankten viele, die meisten. Sie lobten sein Aussehen, lachten wie die Kinder und die Kinder, die kleinen Menschen, holten die Mutter. Sie gaben ihr Blätter und er wurde in ein enges Netz verpackt. Und Einer, ein Großer mit einem lustigen Wipfelschutz, legte ihn sich über die Schulter.“Ich trag ihn heim“, sagte er. Da gingen sie hin, schnell erhaschte er noch einen Blick auf den Platz und seine Nordmannkameraden.

Jetzt war er allein unter Menschen. Seine Äste schmerzten und sie bugsierten ihn in ein langes, sich bewegendes Etwas. Das Männchen hatte seinen Arm um ihn gelegt, das Weibchen bewunderte ihn immer wieder und freute sich an ihm. Ihre Stimme hatte etwas Euliges.

Das musste wohl die Stadt sein. Sie waren lange unterwegs gewesen, hatten einmal das Transportmittel gewechselt. Er sah kaum andere Tannen, fast gar keine, überhaupt wenig grün. Sie waren in einer engen Höhle, es blitzte, war aber kein Gewitter. Waren das Sternspritzer? Irgendwann ruhten sie zu dritt im Grünen, laute stinkende Tiere fuhren vorbei. Autos hatte sie die Eule genannt und erklärt, dass sie gefährlich für Tiere sind, aber dass Bäume gefährlich für Autos sind. Da hatte er sich stark gefühlt. Der Mann – das war wohl der Mann - zündete ein Feuer in seinem Mund an.

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Sie wankten – keine Wurzeln, schon schwierig - zu dritt einen seltsamen Weg entlang mit einer Art riesiger Bauernhöfe links und rechts, ganz eng aneinander gedrängt und Autos und vielen Menschen, die sich nach ihnen umdrehten, manche lächelten – wie Kiesel im Mondlicht im Mund der Menschen, hatte die Lehrerin, Frau Eule, erläutert. Später dann lehnte er an einem Fels, es war rauchig und rundherum Lichterglanz, es wurde gelacht und „seine Menschen“ – er durfte sie wohl so nennen - redeten von Weihnachten. Ihm war warm und er dachte an die Eule, seine geliebte Lehrerin. Dann gingen sie, oder was die Wurzellosen darunter verstanden, und bestiegen einen Berg. Irgendwann spürte er, er war angekommen, ganz oben, in der Großstadt, in seinem Alter schon ein Superchristbaum?

Und dessen war er sich ganz sicher, als bald darauf die zwei Weibchen mit ihren Eiern unter dem Wipfel, ihn umtanzten und schmückten. Sie tranken und prosteten ihm zu. Alles war so gekommen, wie die Eule, seine Lehrerin, versprochen hat. Er hörte sie vorsichtig besprechen, was wohl zuerst seine Äste schmücken sollte, Kerzen oder Süßwaren. Kugeln oder Vögel? Und sie gaben ihm Halt zwar mit Schrauben verankert, aber genährt und sicher. Er hätte ein eigenes Zimmer, scherzten sie, sein eigenes Zimmer. Und an seinen Ästen hing eine Eule, seine Eule, weise und alt, silbern glänzend wie im ewigen Eis. Der Mann hatte sie dort hingehängt.

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Am nächsten Abend tanzten sie um ihn, seine Kerzen wurden angezündet, Gläser klirrten, Pakete lagen zu seinen Füßen, Sternspritzer sprühten, wie Sterne nur viel, viel mehr. Er war der Mittelpunkt, Glocken klangen und alle freuten sich mit, an ihm. Kaum jemand wagte von seinen Ästen zu naschen. Alles war wahr geworden Kinderlachen – es musste sich um eine ziemlich groß gewachsene Sorte Kinder handeln, kaum von Menschen zu unterscheiden – und glänzende Augen. Und die Eulengottheit bei ihm.

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Irgendwann einmal würde er wohl den Feuertod sterben, auch das hatte die Eule prophezeit. Manche ereilte der schon am ersten Abend, andere, gefällt beim richtigen Mond wie er selbst, müssten die heimeligen Stuben erst verlassen, wenn sie zu viel Nadeln verlieren würden. Und so riss er sich zusammen, um zu eben jenen zu gehören und schwelgte in den einsamen Stunden in seinem Zimmer von seinen Erinnerungen an Weihnachten, dem Fest auf dem er ganz im Mittelpunkt stand.

Und dann wurde es noch einmal aufregend, der Mann schnürte wieder Päckchen zu seinen Füßen, die Frau huschte durchs Zimmer, Gegenstände verschoben, ein Lager bereitet. Der Mann schmückte ihn noch einmal mit Kerzen, Musik ertönte und Sternspritzer taten ihr Wunderwerk. Und die Augen glänzten, sie schnäbelten, hätte seine Lehrerin, die kluge Eule dazu gesagt. Sie packten das eben Verpackte wieder aus und sprachen von Freude und Liebe, immer wieder von Liebe. Das Fest der Liebe hatte die alte Eule, seine Lehrerin, es benannt. „Mein erster Baum“, sagte er. „Mein Weihnachten“, sagte sie. Und Liebe.

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Dem kleinen Christbaum kam es vor, als würden die ganze Nacht die Sterne sprühen und er vermisste seine Wurzeln gar nicht mehr. „Es muss eine Vollmondnacht sein, so wie die Tiere des Waldes singen“, sagte er zur Eulengöttin auf seinem Ast: „Und Weihnachten.“ Nie hatte er es gewagt mit der Eule, seiner weisen Lehrerin zu sprechen, nie zuvor. Sie lächelte ihm zu und ihre Augen glänzten.

„Unser Baum“, sagte der Mann: „Und vielleicht kommt er später zu den Elefanten nach Schönbrunn…“. „Unser Baum“, antwortete die Frau: „Sicher kommt er das…“

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Das Fest der Liebe, Eule…und er war ein Superchristbaum.

Bemused...
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9
Dez
2011

Adventlogbuch

Wir kreuzen vor der Weihnachtsinsel; fleißig bestrebt die Herzen – und Mägen - unserer Freunde zu kapern. Wir lächeln uns zu bei der Arbeit und hissen die Segel. Ein warmer Wind füllt sie, nicht heiße Luft, mehr Atem der Liebe… ka Schaß, wie der Wiener sagt. Wir teilen voll gedeckte Tafeln und trinken bis wir taumeln wie auf hoher See. Manchmal haben wir Tränen in den Augen, die ineinander versinken, aber es könnte auch nur die Gischt sein.

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Umd dann stechen wir in See mit der Crew, der jungen, ins Weinviertel. Ich kenn da einen, geb ich an. Und dort schlagen wir auf, meine jungen Menschen und ich beim Herrn profiler und der schwarzen Katz in der Gastwirtschaft. Und sie staunen und freuen und schauen und ich freu mich über den Einen an meiner Seite. Und später tauchen wir in den Bauch der kleinen Stadt und trinken weißen Glühwein und kaufen einen Baum. Und dann kehren wir heim mit unserem Christbaum,kichernd und glücklich im öffentlichen Verkehr und schleppen ihn durchs Grätzel - Parole Emil etc, Cafe Lange, ein Löwe und eine Art Schwester im Geiste.

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Und jetzt will ein Weihnachtsfest vorbereitet sein mit den Besten aus zwei Welten. In ein paar Stunden kommen sie, seine Freundinnen und Freunde und meine. Weggefährten, Kollegas, Piratinnen und Piraten. Dann geht es rund auf hoher See und ein Christbaum steht am Vorderdeck...

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27
Nov
2011

Trauerränder

Trauerränder nannte man bei uns daheim, als ich ein kleines Mädchen war, den Schmutz unter den Fingernägeln. Ich hatte immer Trauerränder. Und immer schmutzige Finger. „Woher kommt das?“ fragt mich die Meisterin und zeigt mir ihre Hände. Die Trauerränder waren mir noch nie aufgefallen, wiewohl ich ihre Hände schon oft betrachtet habe, während ich sie bei ihrer Arbeit beobachtet habe. Und auch als sie – vor Jahren schon – in meinen lagen, mich begleitend, ent-wickelnd: „Aus Wickeln, die uns einengen, bewegungslos machen, befreiend.“ „Ich hab die auch, immer schon“, erkläre ich und zeige ihr meine Hände. Ich freue mich über die Gemeinsamkeit, freue mich, dass sie mich fragt. „Weil wir alles anpacken..“, versuche ich eine Erklärung, die ich mir schon vor geraumer Zeit zurecht gelegt habe. Ich erzähle ihr, dass ich immer schmutzige Finger hatte; und schmutzige Fingernägel. Vor allem vom Schreiben, an Tafeln, mit Füllfedern, an Flipcharts.

Wenn ich ihre Worte mittippe mach ich mir die Finger nicht schmutzig. Im Adlersystem, denn ich habe nie Maschinschreiben gelernt, lasse ich die Buchstabn in mein kleines weißes Netbook fließen. Eindringliche Lösungssätze, die die Meisterin vorspricht und die voll Liebe nachgesprochen werden. „Mutter, Mama, Mutti, Papa, Vati, Vater, Oma, Opa…“. Manchmal weine ich, während ich tippe. Stets versuche ich leise zu agieren, ich will den Moment nicht stören. Später werden sie die Sätze nachlesen können und das freut mich. Ich empfinde mein Da-Sein als sinnvoll und als Geschenk.

Schon als kleines Mädchen, aufgewachsen im Hotel, wollte die Meisterin wissen, wie die es machen, die es gut machen mit der Liebe. Die, die immer wieder kamen, gemeinsam, jede Saison, Stammgäste und Paar. Es gab ja auch die anderen, wo einer wiederkam, mit jemand neuem oder keiner mehr. Sie hat sie alle befragt, das kleine Mädchen. Ich kenne die Geschichte gut und kann die Kleine sehen, wenn ich der zarten starken Frau zuhöre, die aus ihr geworden ist. Sie hat es wohl herausgefunden – ist 42 Jahre verheiratet.

Ein „glückliches Paar“ ist immer dabei bei den Seminaren, die die Liebe heilen sollen. Doch es liegt sehr viel Angst und Schmerz im Raum. Offene Wunden, Scham, Zweifel und Verzweiflung. Und Hoffnung und Liebe, sonst wären sie ja nicht da, würden sich nicht noch einmal eine Chance geben. Das Gemeinsame, ein Liebesbeweis. Der Mann und ich waren auch hier, vor vielen Jahren. Wir waren vielleicht das glückliche Paar, obwohl? Ich habe viel geweint an diesem Wochenende. Die beiden, die wir für uns aufgestellt haben, haben einen traurigen Tanz getanzt. Da haben wir beide geweint. Und dann haben wir die Chance doch irgendwie verpasst. Daran denke ich, als ich mich den Paaren vorstelle. Ich bin Ressourceperson, Helferlein

Die Tage im Mühlengrund, in der Schmiede am Bach sind Ressource für mich; eine Quelle, aufzutanken und Wissen und Liebe zu trinken, klar unnd kühl und herzerwärmend. Es ist gut zu sehen, wie sich Familiengeflechte zu tragfähigen Netzen entwirren, sanft begleitet und doch von zupackender Hand geführt. Mit schmutzigen Fingernägeln, Trauerrändern, die an die Kindertrauer erinnern.

Am Schönsten ist das Leuchten in den Gesichtern, wie sie sich entfalten, das Licht in den Augen, blitzend, glitzernd und eben noch Tränenfeucht. Da sieht man dann die Buben und Mädchen, die die Männer und Frauen einmal waren und die jungen Liebenden. Und die kleinen Gesten, die Zärtlichkeiten, die wieder kehren, die neu angefachte Glut. Dass ich das erleben darf, diese Blicke, ihr Dialog, das Auflösen wohl bekannten Schmerzes und die Stimme und die Worte der kleinen Meisterin mit dem großen Herzen.

„Du machst das gut“, sagt sie mir, als wir Arm in Arm zur Schmiede gehen. So winzig und zart ist sie an meiner Seite, so groß in meinem Herzen: „Das sieht man auch und hört man und dein inneres Kind leuchtet so glücklich.“ Ich mach das gut.Im Zug betrachte ich meine Hände und putze mir verstohlen die Traueränder aus.

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24
Nov
2011

The magnificient seven

Ein Stöckchen, ein Stöckchen, bzw. ein versatiler BlogAward – zugeworfen von Madame und allerorten dankbar angenommen. Sieben Sachen, Sünden, Sensatiönchen, die noch nicht im Blog gestanden, gilt es zu offenbaren. Nun denn, ich verbeuge mich und offenbare meine magnificient seven:

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1) Ich war einmal blond - mit 36, so alt war die Monroe als sie starb. Und ich habe sie immer verehrt; besonders nachdem der hübsche Franzose in Jesolo zur 16 jährigen Turtle gesagt hatte: „You look like someone I love very much: Marilyn Monroe. Ich war sehr verliebt, er war verlobt in Paris. Einmal noch ein bissl Monroe war das damals.

2) Mein allerliebstes Buch, eine alte Ausgabe von Alices Adventures in Wonderland, habe ich aus der englischen Bibliothek in Innsbruck geklaut. Einfach nicht zurückgegeben, ich konnte, wollte nicht. Noch immer überkommen mich Schauer der Scham, wenn ich es in die Hand nehme – und das ist oft. Es is ma passiert.

3) Als Kind wäre ich eine Zeitlang gerne Heintje gewesen; ein Kinderstar, oder zumindest ein Junge, oder wenigstens singen können…

4) In meinen wilden Jahren war ich des öfteren am Semmering, narrische Schwammerln suchen…gebückt, mit den Augen den Rand der Kuhfladen abtastend. Auf den weiten Wiesen begeneten sich damals Familienausflügler in karierten Hemden und Freaks mit bunten Haaren auf der Suche nach dem Biokick….

5) Ich mag keine Schokolade – also schon, ich esse sie und kann gute Schokolade auch genießen, aber viel mehr Freude macht man mir mit feinem Käse, edlem Schinken, guten Ölen, besonderen Salzen Kräutern etc … und einem Mann!

6) Ich hab den ersten Zug von einem Joint am Grab von Jim Morrison inhaliert…und ich bin stolz drauf.

7) „Nein, ich schlafe prinzipiell nicht mit Frauen, die mit meinem Mann geschlafen“, diesen Satz habe ich einmal gesagt und gemeint und das war irgendwie auch cool…

Und ja, weiterverliehen an Frau Frogg, den Kulturflaneur, Frau Weberin, all die anderen Lieblinge haben den Award ja schon. Nehme sich wer mag…

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1307 mal erzählt

17
Nov
2011

Logbuch Update Beziehungsweise vom Vorderdeck

Mast- und Schootbruch! Es lebt sich gut am Vorderdeck und der 1. Offizier erweist sich mehr als seetüchtig. Hand in Hand hissen wir rhythmisch singend (und dann und wann auch im Gasometer tanzend) die Segel für stetig neue Abenteuer: Piratenlieder singen wir und Beziehungsweisen; in der Kombüse bin ich noch immer Kapitänin; beim Möbelhaus entern und Planken zimmern steht mir der Maat zur Seite, bei den Gelagen, beim Laden der Wasch- und Geschirrkanonen und manchmal nimmt er mir kurz das Steuer aus die Hand und hilft mir Ballast zu den Haien zu schicken.

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Manchmal fühlt es sich seltsam an in den Häfen, in denen ich früher unter anderer Flagge angelegt habe. Doch wir stechen ja wieder in See, stets unterwegs. Nur von Zeit zu Zeit ankern wir in einer Bucht, kochen uns was Feines und denken um die Ecke - wie es echte Piraten nun mal so tun in klaren Nächten.

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Und doch rüttelt der Klabautermann dann und wann in der Takelage, wenn ich um die Blogs streiche oder mir Menschen von Bord gehen. Hab ich ihn shanghait, frag ich mich. Aber dann tauch ich in seine Augen und schnuppere Seeluft und vertraue darauf, dass wir noch eine Zeitlang guten Wind haben.

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Allzeit gute Fahrt und eine Handvoll Wasser unter dem Kiel.
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1
Nov
2011

Save our souls...

Ich sitze im Zug, erleichtert und glücklich bin ich eingestiegen, fünf Tage, vier Nächte war ich bei der Mutter zu Gast im hellhörigen Elternhaus in einem Leben, das nicht meines ist, mit mir nichts zu tun hat oder nur wenig, so wenig wie sie von meinem Ich zulässt. Am zweiten Tag gibt es immer Streit, egal wie sehr ich mich in Zen oder die Kunst die Mutter zu lieben übe, wie ich mich anstrenge, wie viele Kleidungsstücke ich mitnehme, um ihren Traumvorstellungen zu genügen und egal, ob ich mein Haar wild und lockig trage oder sauber zurück gebunden. Das kleine Mädchen schreit nach Aufmerksamkeit, die Mutter hört das Schreien und überschreit es mit ihren Klagen.

„Weißt du noch“, erzähle ich von jenem allerersten Theaterauftritt. Die Müllerstochter war ich im Rumpelstilzchen im Haus der Frau des Architekten, im Publikum die Mütter und die Architektenwitwe, Den Königssohn spielte eine, die später beste Freundin war. Das Talent zum Pathos habe ich wohl von der Mutter geerbt und heftig outriert und geklagt, dass ich Stroh zu Gold spinnen soll. Das Rumpelstilzchen aber war zu jung und stampfte auf, wie es die Rolle vorschreibt: „Ich mag nicht mehr!“ sagte es dann statt „Ach wie gut, dass niemand weiß…“ und verließ die Bühne.

Die Mutter schüttelt den Kopf, ihre Lippen werden schmal, sie zweifelt die Erinnerung an, wie so viele meiner Erinnerungen, sicher sei sie einmal in dem Haus gewesen zum Kaffee, nicht um die einzige Tochter beim ersten Theaterauftritt zu erleben. „Und später?“ will ich wissen: „All die Krippenspiele?“ Sie habe kein Auto gehabt, sei wohl nicht dabei gewesen, doch ich kann mich erinnern an meine Mama in der ersten Reihe. An das taiwanesische Baby, das sie einst dort adoptieren wollte und von dem ich Jahre gehört habe, dass es wohl das bessere, dankbarere Kind gewesen wäre, erinnert sie sich genau und an dessen Mutter und alles rundherum.

Ich frag noch einmal nach am nächsten Tag, bitte sie mir eine Geschichte aus meiner Kindheit zu erzählen. Sie sei mit mir oft und lange allein spazieren gegangen und hätte sich so alt gefühlt beim Elternsprechtag, sie habe mir den Schulweg auf Kassette gesprochen. „Und ich?“, will ich wissen. Am Abend hätten wir immer alles ausgeredet, auch wenn sie zornig gewesen sei, sie hätte es schwer gehabt, wäre allein gewesen, der Vater nie da, eifersüchtig auf das kleine Mädchen. „Ihr wart gut für mich“, sag ich ihr und „Danke“ – das tröstet uns beide.

Wenn sie mich fragen würde, ob es jemanden gibt in meinem Leben, den ich liebe, würde ich ihr vom Einen erzählen, weil ich sie nicht anlügen will, darf. Doch sie fragt nicht und so kann ich ihn in meinem Herzen schützen vor ihrer bösen Zunge und den spitzen Worten, mit denen sie jeden Menschen durchbohrt hat, den ich je geliebt habe, wie die Spiegelsplitter der Schneekönigin.

Und dann bricht wieder der Schmerz aus ihr hervor, das verpatzte, verpasste Leben, all das, was ihr die Vaterfamilie angetan hat, deren Namen ich mit Stolz trage und sie mit Verachtung ausspricht. Längst habe ich aufgehört die geliebteren Papa-Großeltern zu verteidigen; ich spreche nicht mehr über die Cousinen, die weder das Haus betreten dürfen, noch zu ihrem Begräbnis kommen, wenn sie dann – bald , wie sie versichert – stirbt. Manchmal bitte ich sie die Litanei zu stoppen, Frieden zu schließen mit denen die 40 oder auch nur 10 Jahre tot sind. Dass sie den Vater nicht geliebt sondern geachtet hat, kommt zwischendurch und tut auch weh, ich wäre so gerne ein Kind der Liebe gewesen.

Abends sagt sie einmal: „Wenn ich jetzt einfach hinüber schlaf, bin ich selbst im Tod ein Schnäppchen.“ Der Tod, ihr Tod, begleitet uns in diesen Tagen, schon seit Jahren, seit viel zu vielen, ich habe mich dran gewöhnt und fürchte ihn doch wie den Tod des Vaters, der hinterrücks in mein Leben eingedrungen ist und alles verändert hat. Dass sie gerade heute besonders viel von ihrem Tod spricht, muss an Allerheiligen liegen und weil ich abreise und informiert sein soll, was zu tun und zu unterlassen.

„Ach, Mama“, sag ich und nehm sie in den Arm; versuche mit ihr zu scherzen, die von sich selbst sagt, dass sie nicht lachen kann, höre die Geschichten, die uralten und ein paar neue alte, die manches erklären. Dann bin ich froh im Zug zu sitzen, am Weg zurück in mein Leben, ich werde anrufen, wenn ich anrufe. Und dann ruft der Nachbar an, die Mutter ist im Krankenhaus, Blaulicht, ein Schwächeanfall. „Siehst du“, sagt das kleine Mädchen: „Sie hat immer recht, sie weiß alles, sie ist deine Mama…“ und krallt sich in mein Herz. Ich habe solche Angst, sie zu verlieren.

Mama, bitte bleib noch bei mir, bitte!
Heute ist Allerseelen.

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921 mal erzählt

28
Okt
2011

Was katzt mich das?

Es lässt sich so possierlich an, mein kleines Leben momentan; Alltag spielen, Bücher und Buch halten in den Galaxien der Staben. Genauso muss sich die Unendlichkeit anfühlen, nur noch ein bisschen enger. Tagsüber tue ich meine Arbeit, begegne so vielen faszinierenden Menschen, von, mit denen ich lernen, die ich lehren darf.

Ich durchquere die Stadt im öffentlichen Verkehr, meist den Soundtrack der Liebe im Ohr, die Augen offen für die kleinen Miniaturen: Das junge Mädchen neben mir im legendären 13 A, das ein Buch von Zen-Meister Suzuki liest, das auch bei mir zuhause liegt; so hübsch ist sie mit dunklen Locken, einer bunten Mütze und Hexenstiefelchen und ganz gefangen von den Worten. Dann klappt sie das Büchlein zu und sucht in ihrer Tasche ein anderes: „Das Kapital“ zieht sie hervor und mein Lächeln verwandelt sich in ein breites Grinsen. „Ich mag Ihre Lektüre“, sag ich und dann steige ich aus. Treffe Menschen aus meinem neuen Leben und mitten drinnen einen, aus der Zeit, als ich wohl so alt war wie die junge Leserin. Oft sind wir nebeneinander an einer Bar gesessen, jetzt prosten wir uns auf Sesseln zu und das Bier schmeckt wie früher. Wie ich hierher komme, will er irgendwann wissen und freut sich dann, als ich es ihm erkläre. „Ihr passt“, strahlt er.

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Andere Begegnungen mit der Vergangenheit verlaufen anders. Ein wenig Abschied nehmen nach zwanzig Jahren; gemeinsamer Jahre des Feierns, Fressens und Reisens, wir haben immer seltener gelacht und geweint miteinander in den letzten davon, als Paar hatten wir unseren Platz, doch dieses Paar gibt es nicht mehr. „Frisch verliebt“, will der Trauzeuge wissen. Verliebt, bestätige ich. Später stellt er mir noch eine Frage, er will wissen, was ich esse am Würstelstand. Wir gehen auseinander. Wir lesen uns auf Facebook. Unten an der Bar komme ich wieder in meinem Leben an.

Unten an der Bar trinke ich oft ein letztes Glas oder zwei oder drei. Die beiden Betreiber sind mir an Herz gewachsen, der Blondschopf und der Dunkle. 28. Mein Lieblingsalter, früher bevor ich 28 wurde und noch zehn Jahre danach. Jetzt ist mein Alter mein Lieblingsalter. „Du bist also ein Cougar“, vermutet der betrunkene Knabe. 25 ist er und nicht zum Stich gekommen. Eine Stunde hat er investiert und dann sagt sie ihm, dass sie einen Freund hat. Jetzt sei es spät und er wisse nicht, ob er es bei noch einer versuchen solle. Er flirtet ein wenig, ich spiele ein wenig, beiße auch und zeige Krallen und bleibe ehrlich, sage ihm, dass ich auf den Geliebten warte, der noch am Theater auftrete. Ein Puma sei ich, meint er und seine Mutter ist zwei Jahre älter als ich, Der Katze in mir ist nicht nach jagen zumute, er scheint das zu bedauern. Als der Eine kommt, schnurre ich.

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Und doch, ganz geht mir die Geschichte mit der alten Katze nicht aus dem Kopf. Und spät des Nachts, während wir den Geburtstag des Einen feiern, rumort es wieder unter Bord zwischen den Rumfässern und dem Schießpulver. Der Eine erschrickt, als das Gespenst aus meinem Dunkel, unseren rosaroten Wolken bricht und als das kleine Mädchen plötzlich da steht und bittere Tränen vergießt aus Angst nicht genug zu sein, nur zweitbeste Möglichkeit, nur praktisch, ein Schnäppchen, Substitute.

Doch dann am nächsten Tag haben wir die Segel wieder gesetzt, die Piratenkönigin kam wieder an Bord, hat einen Schweinsbraten mit feinstem Krusterl am Vorderdeck kredenzt und mit ihrem Ritter ein Fest der Liebe gefeiert, dass das kleine Mädchen nur so gestaunt hat…

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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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Im Bilde

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Soundtrack

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Nach dem Text fürn Wolf musste ich schnell diesen nochmal...
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viennacat - 14. Aug, 18:27
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Pfiad di, Wolf
Bitte Nini, keine Lyrik. Das hast du mir geschrieben...
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just4ikarus - 20. Jul, 15:31

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Alle Kraft für ihn!
Alle Kraft für ihn!
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datja - 18. Jul, 18:34
Lieber Yogi, ein bisschen...
Lieber Yogi, ein bisschen frivol der Geburtstagsgruß...und...
datja - 5. Jul, 14:19
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Hauptsach: Österreich ist geil! Herr Nömix....
noemix - 5. Jul, 14:14
...und dann sind wir...
...und dann sind wir Helden...danke, liebe Elfenhäuslerin...
katiza - 5. Jul, 14:09

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