„Was ist Glück?“ fragt einer im Gesichtsbuch. Ein Tag wie Samstag, antworte ich dem, der dabei war. Denn die Tage, die hinter mir liegen waren voll Glück und Freude und Lachen und Leben. Erst mit dem Gotlkind und seiner, meiner Familie. Sorgen dürfen für die, die mir so sehr am Herzen liegen, die mir außer der Mutter am nächsten geblieben sind, mir bleiben werden, wenn sie einmal nicht mehr ist.
Am Samstag dann sitze ich im verwunschenen Garten der bezaubernden B. mit ihr, Madame Lamamme der Elfenhäuslerin, Männern, einer Tochter, drei Söhnen und einem Hund. Die Leben, die wir lesend und schreibend, seit Jahren teilen, haben sich verwoben im letzten halben Jahr. Toll3st sind wir Freundinnen geworden. So sitzen wir beisammen rund ums Feuer, als würden wir das schon lange tun mit vollen Gläsern und vollen Herzen Und irgendwann ist es egal, wer Kinder und Mütter und Väter sind – da sind wir nur mehr lachende, sprechende Menschen – jüngere und ältere - am Feuer im Garten mit Feuer im Herzen.
Nur 24 Stunden später sehen wir uns wieder, die Toll3sten, ergänzt um die frisch gereifte Tochter, aufgebrezelt und behübscht mitten im 8.. Wir sind geladen zu einer Geburstagsfeier der besonderen Art. „Hallo Katiza“, begrüßt mich der Doc, kaum habe ich mit meinen Gefährtinnen den Saal betreten und suchenden Auges durchmessen. Denn es waren Blogger zu erwarten. Ich wundere mich, dass er mich gleich erkannt hat. Und doch – auch ich hab nur diesen einen Blick in die Augen gebraucht. Aber es gibt ja unser Ankündigungsbild fällt mir später ein, als unser Gastgeber in die Tasten greift und andere Bilder malt mit der Farbe der Töne. Ein Klavierkonzert hat mich erstmals ins Bezirksmuseum meines Grätzls geführt.
Wir treffen uns im wirklichen Leben. Die Blogs bekommen Gesichter und Stimmen und der des 150 prozentigen Jubilars und Gastgebers wird in Zukunft wohl klingen, „Töne an der Wurzel gepackt“. Gewaltig wie sein Spiel. Was sind das bloß für wunderbare Menschen, ins Netz gegangen. Das Sein des Schein, Realmono als Dokumentator und Frau Punkt Komma Strich hat endlich Urlaub, ein bisschen zumindest, an ihrer Seite der Mann hinter der Frau hinter dem Blog.
Eine Glasscheibe liegt später zwischen uns und den anderen, fast symbolisch erscheint sie mir für Blogistan, die kleine Welt in der ich schon seit fünf Jahren zuhause bin – gemeinsam lachen und scherzen wir hinter dieser Scheibe, beobachten die Welt durch sie, Über einen Lautsprecher hören wir die Reden der LebensbegleiterInnen des Klavierspielers. Mathematik und Musik. Die anderen hören uns nicht, sehen uns bloß – wir hingegen sitzen beieinander und berühren uns – nun auch real.
All das ist Glück, verdammt viel davon sogar.
Danke.
Da stand sie plötzlich die Liebe und wollte wieder an Bord gehen. Ich müsste lügen, würde ich behaupten, ich hätte sie nicht durch den Hafen streunen sehen oder würde ich gar erklären, ich hätte sie nicht gleich erkannt. Und doch versuchte ich sie zu ignorieren, wusste ich doch, wie hoch das Risiko ist, dass sie da draußen auf hoher See wieder das Kommando übernimmt. Doch sie sah gut aus in ihrem neuen Gewand und ich wusste, wie sehr ich ihre Gesellschaft stets geschätzt hatte bei Sonne, Wind und Wellen. Sie hatte mir immer wieder Mut gemacht gegen den Wind zu segeln und mich über manche Flaute hinweg getröstet, sie hatte die Segel gebläht, fast wie im Flug ließ sie mich Weltmeere überqueren.
Und nun stand sie da und wollte wieder anheuern. Und sah mir in die Augen. Und nahm mich in die Arme. Und wirbelte mich herum, bis mir schwindlig wurde. Nur so ist es zu erklären, dass ich die blinden Passagiere nicht bemerkte, die sie an Bord schmuggelte. Die Sehnsucht nahm dick und fett und selbstbewusst gleich in meiner Kajüte Platz und begann Träume zu sticken, während sich die alte Angst und die dünne Eifersucht unter Deck versteckten, zwischen den Rumfässern und dem Schießpulver.
Die Liebe hingegen setzte die Segel und nahm mir das Steuerrad aus der Hand und stach in See. Ich spürte den Wind in meinen Haaren und das Glück in meinem Herzen. Und die blinden Passagiere würde ich in einem unbeachteten Moment über die Planke gehen lassen, schwor ich mir, doch jetzt gilt es erstmal die sieben Weltmeere zu erobern…schließlich bin ich die Kapitänin.
Pfingstfreitag diesmal beim Erstgeborenen – dringend notwendig nach Österreichrundfahrt und Heimatbesuch.
Was liegt alles hinter mir: ein Arbeitsausflug mit dem Hauch von Landschulwoche, ein Länderspiel bei strömendem Regen,
ein wenig Zucker für das Zirkuspferd,
ein Balkongespräch beleuchtet von einem Glühwürmchen, als wärs ein Gruß vom Vater, ein Grabbesuch,
Mutterleid und Mutterzorn, Kinderlachen und Kind-erleben,
Kälte und Wärme, Erkenntnisse an jenem Ort, Regen im Park und der ungehbare Weg mit Musik im Ohr und dem Lächeln eines fremden Mannes,
viele km im Zug, alles abwerfen und aufs Musenpodest eilen, denn es solle endlich wieder Freitag sein, an diesem Pfingstsonntagabend.
„Es ist vollbracht“, verkündet er mir nur um wie stets gleich wieder einzuschränken: „Fast.“ Er meint die 100 Jahre, die Dreißiger Jahre im Speziellen. Und es ist wahr – aus der auditiven Chronik ist etwas Neues darüber hinaus Gehendes gewachsen – kritisch und witzig und zynisch und Herz erwärmend. Max Schmeling „besingt“ das Herz eines Boxers und Gustaf Gründgens ist vornehm. Obskure Reportagen ergänzen sich mit 30 dressierten Kanarienvögeln und dem Reichstag. Das gibt’s nur einmal kommt immer wieder. Und Hans Albers ist der Clown Quick. Ich bin begeistert von all dem neuen Alten und freue mich so, dass das Werk tatsächlich seiner Vollendung entgegen geht, nur mehr selten unterbricht der Erstgeborene den Zusammenschnitt (und meinen Gedankenfluss), um auf notwendige Korrekturen hinzuweisen. „Das Objekt fühlt sich geehrt, das Subjekt freufühlt sich wohler“, sagt Max Reinhardt in diesem Moment und der Erstgeborene verweist mit großer Gest auf ihn. Und dann marschieren Stiefel….der Tanz auf dem Vulkan beginnt und es darf noch einmal frivol werden.
Es ist Pfingsten und die Unruhnacht : „Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“ Doch wir sind ruhig und hören zu und sind zufrieden, mein Glück und den Liebestaumel verzeiht er mir, meine Musenrolle lobt er. Und ich bin glücklich.
Wir lesen. Wir, die toll3sten Weiber, für mich quasi so was wie ein Heimspiel - im Tempel des MMX, ein Underground-Gig sozusagen - und wir freuen uns über alle, die kommen:
Der ungarische Radiosender spielt das Lied, das mich wohl mehr als 20 Jahre begleitet, unsere Freunde haben es auf unserer Hochzeit gesungen, immer wieder erklingt es auf wunderbare Weise in besonderen Augenblicken und ich wünsche mir, dass es mich noch weiter an Punkten meines Lebens berührt, bis es schließlich bei meinem Begräbnis gespielt wird. Ich sitze auf der Rückbank eines vollbepackten Autos. Meine Reisebegleiter an diesem Vorsommermittag habe ich erst vor wenigen Stunden kennen gelernt, es sind so angenehme Menschen und die Unsicherheit, die mich noch am Morgen umfangen hielt, ist längst verflogen. Urlaubsreisegefühle auf einer ungarischen Landstraße, wie so oft auf meinen Reisen von Lou Reed begleitet. Wir fahren an einem blühenden Mohnfeld vorbei.
Problems all left alone,
Kilometer für Kilometer fällt der Streß der letzten Tage von mir ab, eben noch in Brüssel und gewaltige ToDo-Listen für die nächsten Wochen, ein fast fertiger Artikel und die schrittweise Auflösung meiner Ehe. Ich bin unterwegs in ein anderes Leben, auch wenn Filme vergangener Urlaube in meinem Kopf auftauchen. So oft in fröhlicher Runde in vollbepackten Autos oder der Mann und ich allein in Mietautos in fremden Ländern, Musik auf Anschlag. Und während das junge Paar von seinen Reisen erzählt, trage ich weniger bei, als ich könnte, müsst ich doch wir sagen und will es nicht erklären. Und wann und über alte Zeiten reden und das will ich auch nicht.
Weekenders on our own.
Und irgendwann komme ich an bei diesen neuen Menschen, bei dem Teil von mir, der hierher gehört. Manche könnten meine Kinder sein und dann wäre ich sehr stolz auf sie. Doch im Grunde sind wir wieder einmal nichts anderes als eine glückliche Wochenendwohngemeinschaft am Balaton. Zu Land und zu Wasser. Piraten und Piratenköniginnen; FreibeuterInnen.
It's such fun.
Trinken und lachen und teilen: Freude, Wasser, Langos. Seifenblasen und Schlachtgesänge, kleine und große Abenteuer, Verwandte und Wahlverwandte. Musik. Party, blitzende Augen und schöne Gesichter und ein Quäntchen stilles Drama und Tränen und Blues. Tanzen und trinken. Vertrauen, Wärme, Nähe und lachen - bis der Bauch weh tut.
Just a perfect day,
Rosenbüsche am Wegesrand, Leben mischen sich, Bands, Songs, Werbesprüche, Kreuzungen des Seins, Sonne über dem See, ein gelöstes Kreuzworträtsel. Die Yellow-Brick-Road zum Strand. Totes Fleisch vom heißen Grill und das Kompliment einer ungarischen Mama. Nachts barfuss in den Nachbarort spazieren, während es langsam hell wird. Von der Sonne geweckt werden.
You made me forget myself.
All die Parameter meines Seins wie Alter, Beruf, Familienstand, Vermögen, persönliche Geschichte, der gemeinsame Weg und seine Knoten, der mich sonst auf diesen Festen mit den Mitfeiernden verbindet, fallen von mir ab. Ich vergesse, dass ich zu laut bin, zu alt, zu betrunken, zu fordernd, zu chaotisch, zu politisch.
I thought I was someone else,
Sie rufen mich mit meinem Kindernamen, so wurde ich auch damals gerufen, vor langer Zeit von Dino, dem Gastgeber, treuer Herzensfreund, der immer da war über die Jahre, wie ein Zeitloch verbindet mich all das mit dem Lebensgefühl jener Jahre. Ich bin noch immer die, denke ich mir.
Someone good.
Vielleicht ein bisschen besser, hoffe ich, nicht so egoistisch, nicht so selbst eingenommen, nicht so triebhaft. Und kurz fühlt es sich auch so an.
Bis ich zu Hause registriere, dass ich den Geburstag der Seidenen vergessen habe. So viele Perfect Days habe ich mit der geliebten Freundin verbracht; so oft hat sie mich getröstet, wenn ich gekränkt wurde und jetzt bin ich die Kränkende. Ich schäme mich. Zutiefst.
gestern haben mich deine Briefe erreicht, vielen Dank dafür, noch einmal. Ich weiß nicht, ob ich auf alle geantwortet habe, ich werde das jetzt nachholen. Was waren das für Nächte, in denen wir uns kennen gelernt haben, ich könnte mich nicht erinnern, dich bei Tag gesehen zu haben, doch einmal im Drechsler, glaub ich.
Denk ich zurück, sehe ich uns trinken und lachen. Und jene Samstagnacht, als ich in der großbürgerlichen Wohnung in meinem Gästebett lag und du plötzlich zu mir kamst mit dem Doppelliter. Schöne große Räume. Du kommst aus einer „guten Familie“, altösterreichisch, Zell am See, Wohnungen in Bürgerhäusern. Du hast Treff geraucht und Johnny ohne, Tom Waits haben wir dort gehört und auch Schubert. Bernhard, Bukowski und Baudelaire gelesen. Geredet endlos.
Hast du Architektur studiert oder warst du an der Angewandten? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß, dass du schön warst, groß und schön …und betrunken. Aber das war ich auch. Und traurig warst du, waren wir, wütend, verzweifelt, jung.
Du hast mir später dein Rezept verraten in deinem Brief: „Du musst dich nur so lange fertig machen lassen, solange bis du dich nicht mehr wehrst, bis du plötzlich keine Kraft mehr hast gegen die dich von allen Seiten anstarrenden Teufelsfratzen anzukämpfen.
Ist dann erst dein Widerstand gebrochen, fällt der Rest wie Schuppen von deinen Augen.
Du erkennst, daß im Großen und Ganzen alles nur halb ist.
Halblustig, halbtraurig, das verdammte – halbe – Mittelmaß und dann erkennst du, daß das Mittelmäßigste in diesem 0815-Leben du selbst bist.
So ist es mir gegangen. Ich habe alles gesehen, alles verstanden, hab es akzeptiert und lebe jetzt mein halbes Leben ganz ruhig.“
Das wusste ich doch auch, David, das mit den Teufelsfratzen und dem halben Leben und ich hatte genauso Angst davor wie du. Deswegen schöpften wir aus dem Vollen, auch aus vollen Gläsern, auch in dieser Samstagnacht. Du trinkst zu viel, haben sie mir erzählt, meine Freunde, das einzige, das uns verbindet. Du schreibst von deiner besonderen Beziehung zum Alkohol und erzählst mir, wie du mit Wein vor dem Fernseher Heinz Conrads 70er gefeiert hast. Der ist auch schon tot.
Auch über die Liebe schreibst du in diesem besonderen Brief: „Etwas, was ich ganz im Geheimen vor meiner Halbheit verstecke, ist meine Liebe, die ich geben darf, die erwidert wird, die spüre ich zumindest nicht halb, sondern diese Liebe klammere ich völlig aus aus meinen Halbheiten, ich liebe sie still und intensiv für wenige Wochen im Jahr, aber es ist gut und macht mich glücklich.“
Ach David, wie recht du hast mit der Liebe, aber auch das andere Leben besteht nicht nur aus Halbheiten, wenn man die Liebe als essentielle Zutat hinzufügt, nicht nur wenige Wochen im Jahr…
Du dankst mir dafür, dass wir nicht miteinander geschlafen haben in jener Nacht vor 28 Jahren, ich hätte dir das Leben gerettet…wir haben viel von Liebe und Freitod geredet, eng aneinander geschmiegt in dem antiken Bett, Weißweinküsse, aber ich war in jener Zeit so müde vom mich verschenken, hatte mich zu oft verschenkt und du warst mir auch zu schade dafür und ich hatte Angst vor deiner Liebe. Kurz nachdem ich dich weg geschickt habe, knallte ein Auspuff. Es klang wie ein Schuss. Dann schriebst du mir den ersten Brief. Ich bin nicht mehr oft nach Wien gekommen, haben wir uns wieder gesehen?
„Mock Turtle, gib nicht auf, kämpfe so lange du kannst, du wirst lange kämpfen, vielleicht ewig, aber du wirst in diesen Kämpfen Kraft finden, Kräfte, aus denen du dein Glück baust und es auch erhältst.“
Ja David, du hast so recht behalten und wie gerne würde ich dir das sagen. Aber du bist ein Jahr später gestorben. Lungenkrebs. Dabei hattest du, glaub, ich ein nettes Mädchen gefunden, sie zu lieben und das Trinken reduziert. Unsere Welten berührten sich kaum mehr, jeder beschäftigt für das Glück zu kämpfen. Dabei muss man gar nicht so wild kämpfen, hinsehen reicht. Und Lesen in alten Briefen.
„Paß gut auf dich auf, und mache so wie ich weiß dass du es immer kannst das Richtige“
Du hast an mich geglaubt David, Danke, dass du in meinem Leben warst – was ich damals nicht gewusst habe: Ich liebe dich ...wie all die anderen, die mein Leben geprägt haben, über deren Briefe ich gestern gestolpert bin.