21
Apr
2011

Zu ebener Erd und im vierten Stock

Es kehrt Leben ein im Treppenhaus von Wien zu ebener Erd und im vierten Stock. Unten, im Parterre, und in den prächtigen Kellergewölben sind zwei Lokale eingezogen. Das eine hat bereits eröffnet und bietet der Turtle schon jetzt Gelegenheit, sich vor dem Aufstieg in ihr Nest ganz oben noch ein wenig zu stärken. Schön sind die Räume geworden, die einst ein Kaffeehaus beherbergt haben für die Ärzte im AKH und die Juristen im Landesgericht.

Als wir eingezogen sind, war hier ein Autozubehörladen, später ein Altwarentandler. Jetzt stehen am frühen Abend Tische und Stühle auf der Gasse, und buntes, fröhliches, junges Personal serviert Espresso und Prosecco. Wirte sind zwei junge Männer, die nach vielen Jahren Internetbranche mit richtigen Menschen zu tun haben wollen. „Wir machen es gerne“, sagt der eine, als ich bei einem Glas Wein auf mein Taxi warte: „Und was man gerne macht, macht man gut.“ Ich nicke zur Bestätigung und schau ihm in die schönen blauen Augen. Schon vor einer Woche war die Nachbarschaft zur Eröffnung geladen, da war viel Wärme und Lachen und Herzlichkeit in den Räumen und wenig anonyme Großstadt. Wir werden uns wohl öfter treffen hier herunten, nicht immer bloß im Treppenhaus.

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Vom kleinen Schanigarten kann man auch die anderen Jungwirte im Haus sehen, die noch an ihrer Weinbar zimmern, auch sie fröhlich und sympathisch, bei der Eröffnung der Nachbarn haben sie auch vorbei geschaut. Stetig sind sie am Werken, heute wurden die Fenster geputzt. Man kennt sich schon, lächelt sich zu, wechselt ein paar Worte. Ich fühle mich daheim im Grätzel.

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Oben im vierten Stock ändern sich die Räume nur langsam, der eine oder andere Gegenstand zieht aus. Und doch ist irgendwie neues Leben eingezogen, die Zimmer wirken anders, so wie auch ich, wenn ich mich in einen der Spiegel sehe, mich mit anderen Augen betrachte, mit neuen.Und das geschieht auch mit den Räumen. 15 gemeinsame Jahre in ihnen haben genauso ihre Spuren hinterlassen wie diese 20 Jahre Partnerschaft in mir; Spuren, die ich weder tilgen kann, noch will. Der Queue ist derselbe, doch das Spiel spiele ich anders.

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Nebenan wird die Wohnung von Herrn Walter und seiner Püppi renoviert. Die Badewanne, in der er gestorben ist, steht am Gang. Preisboxer am Heumarkt sei er gewesen, erzählt mir der andere Nachbar beim Nachbarschaftsfest und sie, Püppi, gut verheiratet, vorher. Dramen hätten sich abgespielt. Das Hufeisen an der Türe hängt verkehrt, bemerke ich erst jetzt. Kein Wunder, dass das Glück rausgefallen ist. Die Frau mit dem schönen Namen wird auch ausziehen, der Philosoph hat seine Sachen schon gepackt, wir anderen rücken halt näher zusammen. Zu ebener Erd und in vier Stockwerken.

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17
Apr
2011

Die Jugend im goldenen Rahmen

Seit Jahren blickt sie auf mich herab von ihrem Platz an der Wand. Halb so alt wie ich heute, wenn überhaupt. Die Jugend im goldenen Rahmen. Gestern hat sie mir zugelächelt, da bin ich mir sicher.

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Mein Freund der Fotograf mochte nicht, wenn ich lächelte. Er selbst lächelte ja auch nie; er mochte die sinnlichen Blicke über vollen Lippen und das Androgyne in mir. Deswegen hatten wir diese Bilder auch in einem Herrenklo geschossen, Glencheck-Hose, Hosenträger und der Pünktchen-BH seiner Freundin. Ich hatte so was nicht, brauchte ich auch nicht wirklich.

Zwischen den Geschlechtern, rasierend vor dem Spiegel, lässig ans Pissoir gelehnt, stolz und verletzlich und ein wenig trotzig. Heute trage ich wieder dieselben Ringe, die anderen habe ich abgelegt, sie passen nicht mehr. Auch die Frisur ähnelt der des Mädchens auf dem Bild. Ein Leben mit Locken, keinen kleinen feinen, eher wilden, unzähmbaren.

Nein, ich wollte nicht Modell werden damals, hin und wieder ein paar Dirndlfotos, um die Kassa aufzubessern, nichts weiter. Prostitution sei das, meinte mein damaliger Freund, Eitelkeit, Äußerlichkeiten und das war dann Grund genug, die Zwischen-den-Geschlechtern-Bilder zu machen. Die haben wir nur für uns gemacht, der Fotograf und ich, wie noch eine Session, Jahre später; und diese Bilder haben so viel für mich getan seither. Sie sind mir Antidepressivum und Begegnung mit dem jüngeren Selbst.

Sie war schön, das Mädchen auf dem Bild. Sie spürte ihre Macht durch und ihren Hunger auf Liebe und Lust, Großes wollte sie vollbringen, Burgtheaterdirektorin oder ORF-Generalintendantin werden, der Mann an ihrer Seite würde nicht der Mann ihres Lebens sein, das wusste sie schon damals. Es würden andere kommen, auch das wusste sie. Dass es einen Mann ihre Lebens geben würde, konnte, wollte sie kaum glauben. Dass sie zehn Jahre später heiraten würde, hat sie sich nicht gedacht, dass eine Liebe zwanzig Jahre währen kann, auch nicht. Dass Ihr Freund, der Fotograf sich Jahre später erhängen würde, ahnte sie nicht.

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Sie war auf dem Sprung nach Wien, endlich erwachsen, Theaterwissenschaft und Publizistik, die erste Wohnung mit Klo am Gang, aber auch die schon im Achten; nur ein paar hundert Meter entfernt von dem Bett, in dem ich an diesem Samstagmittag frühstücke, als sie mir zulächelt. Von einer Wohnung mit Billardtisch hatte sie geträumt, von Erfolg, selbstbestimmtem Leben, einem jüngeren Liebhaber vielleicht, von der Bühne soundso immer.

Es ist ein glücklicher Samstag und ich begegne meiner Jugend im goldenen Rahmen. Nein, nie mehr wieder möchte ich so jung sein, aber die Träume, die Tatsache, dass alles offen ist und das Gefühl, alles zu wissen, über alles urteilen zu können, nutzen sich ab im Lauf der Jahre. An diesem Samstag habe ich das Gefühl vor ihrem Urteil bestehen zu können, ich hab den Eindruck, sie ist fast ein wenig stolz auf mich.

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Abends lesen (und tanzen) die toll3sten Weiber in Mistelbach, ein Lächeln begleitet mich durch Tag und Nacht, immer neue faszinierende Begegnungen, fast wie damals, als das junge Mädchen in die Hauptstadt aufgebrochen ist, fühlt es sich an, alles ist offen und ich weiß, dass ich nie genug weiß, um urteilen zu können.

Bevor ich einschlafe, lächle ich ihr noch einmal zu: Es ist viel passiert, dass du dir in deinen kühnsten Träumen nicht hättest vorstellen können, Wundervolles und Schreckliches. Was du damals nicht gewusst, nicht wirklich geahnt hast, ist, wie glücklich dein Leben im Endeffekt sein wird, ein Geschenk voll wunderbarer Menschen und Erlebnissen, so viel Liebe, so viel Spaß, so viel Gutes, so viel Lernen, Abenteuer. Die Schmerzen, das Leid, die Enttäuschungen und den Kummer hast du damals geahnt. Das Glück nicht. Insofern ist mein Leben glücklicherweise aus dem Rahmen gefallen…..
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14
Apr
2011

Die p.t. Gäste

Eben sind sie abgereist. Die Wohnung ist leer ohne sie. Schon jetzt fehlt mir die sanfte schweizerische Sprache von Frau Frogg und dem Kulturflanuer. Ich höre uns noch lachen am Frühstückstisch, ich schmecke noch das „Hendl“ – „wieder ein neues österreichisches Wort gelernt, Poulet heißt das bei uns“ -, das die beiden für mich in meiner Küche zubereitet haben. Und den Zweigelt, den „Naziwein“, und den Veltliner.

Wir sind ein Jahrgang, Berufskolleginnen mit sehr verwandten Werten und Idealen, wilde, linke Herzen; eine ideale Kollegin, so wie das Wort „Kolleg‘“ in meiner Heimat für Freund, Kumpel steht. Wie ein junges Mädchen wirkt sie mit dem Struppelhaar, wenn sie morgens leise durch die Wohnung schlurft, wie ein Lausbub, wenn sie lacht, irgendwie wie George aus den fünf Freunde Büchern meiner Kindheit, erwachsen geworden, meistens. Und der Kulturflaneur, ein ruhiger Navigator, ein weises Lächeln scheint seinen Mund zu umspielen, das manchmal zum trocken verwunderten Lachen wird, z.B. in der Begegnung mit dem Wienerischen. „Die p.T. Gäste werden darauf hingewiesen“ liest der Herr Flaneur im Cafe Hummel halblaut mit großen Augen ein Schild an der Wand. „Pleno titulo“, erklärt der Ober: „mit vollem Titel, so dass sich alle Betitelten angesprochen fühlen.“ Und ich bin so stolz auf mein Wien, wo die Ober Latein sprechen.

Schnell werden wir eine gemütlich kleine Wohngemeinschaft auf Zeit und ich freu mich schon, wenn die beiden von ihren Streifzügen heim kommen und ergänze ihre Reiseführerinformationen mit Einheimischenwissen und Anekdoten. Manchmal flanieren wir auch gemeinsam und ich zeige und erkläre und weise hin. „Dort hat Oskar Werner gewohnt, da isst man gut, hier werden oft Filme gedreht, dort war einst ein Bordell.“ Irgendwann fotografiere ich ein Graffity mit meinem Handy. „So also“, lächelt die Fröschin.

In der Küche steht noch der große rote Topf, in dem ich den Tafelspitz, das weißer Scherzerl für die beiden zubereitet habe. Er begeister meine Gäste, die auch erfreut sind, dass sich eine Salatschleuder und eine Geflügelschere (und gar ein Käsehobel) in meinem Besitz befinden. Den Tafelspitz wollten sie ursprünglich im Rindfleischtempel essen. Selbst gekocht sei aber immer besser, freuen sie sich. Und ich freu mich aufs Kochen.

Ab dem Spätnachmittag war die Wohnung von wohligem Suppenduft erfüllt. Semmelkren gibt’s, selbstgebackene alte Semmeln wurden darin verwertet und bei Schnittlausauce, Apfelkren und Röstkerdäpfel helfen die beiden eifrig mit. Und dann tafelen wir, geben uns ganz dem Genuss hin, politisiereen, tauschten Berufserfahrungen aus und philosophiereen. Alte Freundinnen, ein guter Freund. Das hast du damals vielleicht gelesen; Oh, das war da; ach, der;vieles ist nicht mehr erklärungsbedürftig, vieles erklärt sich erst jetzt, die Stimme zu den Worten, die Blicke, die Körpersprache. Es wird spät und unsere Köpfe werden schwer, aber wir können kaum voneinander lass und machen am nächsten Morgen dort weiter, wo wir am Vorabend aufgehört haben. So vieles hätte ich den beiden Stadtwanderern noch so gerne gezeigt; es wird ein nächstes Mal geben.

„Schani trag den Garten aussi“, kichert der Kutlurflaneur zum Abschied.

Die p.t. Gäste können wieder kommen und statt eines Titels erhalten sie ein Prädikat – besonders wertvoll.
Schön, dass ihr da wart.

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1688 mal erzählt

11
Apr
2011

Vom Sex der Buchstaben

Ach, wie geht es mir gut, wenn ich mich so treiben lasse im Rhythmus meines Lebens.

Rhythmus ist so ein schönes Wort, vor allem, wenn richtig geschrieben. Und ich gebe zu, manchmal bin ich selbst unsicher. Obwohl es so einfach ist, auf die h kommt es an, die fast stummen, phallischen h, die den Rhythmus erst ausmachen. So ist das nämlich.

Und deswegen ist Orthographie sexy. Schauen Sie sich das Wort nur an: Orthographie. Das hungrige O am Anfang, ein sanft rollendes r, ein t spuckt kurz aus, fast tadelnd und wieder ein o – kleiner als das erste - und ich lege auf Groß- und Kleinschreibung wert – ein kurzes Pressen, Kehllaut g, rrrrollend erzittert die Zunge, aaaalles ist offen, noch zeigt das p nach unten, aber im h richtet es sich auf und wird zum Zischlauft ffffffffffffffffffff, ausatmen ein kleines i sprüht seinen Punkt ins Weltall. E(h klar).

ORTOGRAPHIE ist halb so schön und auch der ortografie fehlt einiges.

Orthographie hingegen ist definitiv sexy, q.e.d.

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Bemused...
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10
Apr
2011

Ich bin so frei

Und dann ist endlich wieder Freitag, die Sonne scheint auf meinen Platz am Musenpodest am gelben Sofa und die Plattenspieler werden ausgezogen und angeworfen. Zur Feier des Tages, der Heimkehr des Erstgeborenen aus der anderen, der Kärntner Heimat, ein Fläschchen Fabelhaft, der sich so wunderbar an den Soul schmiegt, der mittlerweile den Raum füllt.

Ein junger Mann flattert herein, schelmisch, man kennt sich schon. Gerade eben war er drei Monate in Asien. Ob die 100 Jahre denn nun fertig seien, will er wissen und wir lachen. „Bald“, sage ich, nur noch ein paar Umschnitte und Änderungen und blinzle dem Erstgeborenen zu. “Geschichte verändert sich eben stetig, erkennen wir. Später dann höre ich, dass Tom Dooley dazu gekommen ist, eine meiner Lieblingsschallplatten dort im Teppichwunderland, abgespielt am Marienkäferplattenspieler. So fasziniert war die kleine Turtle von der blutrünstigen Geschichte, dass sie sie sogar zum Besten gab, als der Schulinspektor in der Volksschule die Kinder aufforderte ihr Lieblingslied zu singen.

Jetzt ist die Ballade Teil der 100 Jahre, ganz artig bedanke ich mich beim Erstgeborenen, auch für das Weihnachtsgeschenk, das er mitgebracht hat, “Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber“. Treffsicher wie stets, der Freund und Gastgeber und voller Liebe.

Ein schöner junger Mann wird von einem anderen mitgebracht, gelangweilt blickt er im Raum herum, bleibt außen vor, checkt ab. Der Erstgeborenen registriert es und langsam und geschickt spinnt er ihn ein und holt ihn an den Tisch. Ob das so weiter ginge, wenn man älter würde, das Leben als Fest, fragt der Schöne. Wie alt er sei, will ich wissen. 1974 geboren. Es geht weiter so, lachen wir. Es wird besser, versichere ich ihm. Ich weiß das. „Man muss immer weiter Ausatmen“, sage ich. Da lächelt der schöne Mann „Ausatmen.“ Freitag.

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5
Apr
2011

Frühling ist....

... und die Mock Turtle lässt die Rampensau raus...Brillenparty!



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3
Apr
2011

Wofür es sich zu leben lohnt…

Früh wache ich auf, schlunze den ganzen Vormittag im Bett herum, pfeif auf’s Einkaufen, streune um die Blogs und lese Robert Pfaller „Wofür es sich zu leben lohnt“ und weiß genau, dass es sich zu leben lohnt; dafür.

Und dann Retz, schnell war der Entschluss gefasst am Abend der Lesung, den Profiler heimzusuchen bei seiner Eröffnung. Schon gegen Mittag machte ich mich per Zug auf in den Norden – der Shuffle-Gott bläst mir Art Blakey ins Ohr. Tell it like it is. Das Saxophon berührt mich. Draußen zieht die Landschaft vorbei, mein Leben nicht.

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Und wieder die wohlige Näher vertrauter Fremder. Der Profiler hat uns sofort erkannt und zugegeben Frau Testsiegerin und ich boten in der ländlichen, sonnigen Kleinstadt doch einen etwas originellen Anblick. Und da war sie wieder, diese ansatzlose vertraute Gesprächsebene, das Geschenk des Verstehens, die Freude aneinander, das Leben miteinander zu teilen. Rasch war der Hund erkannt und die wunderschöne schwarze Katz, die Frau an Profilers Seite. Ein erstmaliges Sehen wie ein Wiedersehen.

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Der große Empfang für den neuen Gastronom war schon in vollem Gange, als wir wiederkehrten – nun eine Handvoll, ergänzt um Madame, die Elfenhäuslerin, Meertau. Der Koch und Wirt ließ es sich nicht nehmen, quer über den Platz zu eilen und uns zu begrüßen. Da mag sich schon so manche g‘standene Retzerin gefragt haben, wer denn die bunten Damen seien, die da so heiter im Schankraum versammelt waren und immer wieder den Gastgeber an ihren Tisch lockten. Das Gasthaus, über dessen Werden wir so gerne gelesen haben ist so wunderschön geworden. Das vertraute Bild an der Wand. All das, was diese zwei Menschen sich da geschaffen haben.

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Viel gelacht, viel gesprochen…und wissend, dass ich bald wieder kommen will, die viel versprechende Speisekarte austesten.

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„Es sind jene Leute, die das Leben als Gabe begreifen. Wenn man das Leben als Gabe begreift, dann behandelt man es als Geschenk, bei dem man eine Verpflichtung hat – nämlich die Verpflichtung, etwas von dem Geschenk auch weiter zugeben.“
Robert Pfaller „Wofür es sich zu leben lohnt“

Solche Leute kenn ich!
Dafür lohnt es sich zu leben.
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1
Apr
2011

Ich sei, gewährt mir die Bitte….

„Warum bloggst du?“ Als die Stöckchenfrage gestellt wurde, hatten wir es hinter uns, es war geschafft, wir saßen auf einer wohligen, flauschigen Wolke, drei Göttinnen in Schwarz. So fühlte es sich an. Alles war gut gegangen. Wir funkelten uns an, lachende Gesichter, viele vertraute Fremde, Gesichter und Sprache zu Worten und Sprache, sich überkreuzende Welten, Bloggosphäre.

Ich meide die Meta-Ebene, hab als Journalistin gelernt, dass es fad ist über JournalistInnen zu berichten und als Bloggerin schreib ich ungern übers bloggen. Ich weiß gar nicht, ob ich mich so nennen will, ich dachte lange nicht drüber nach. Aber wie das halt bei Stöckchen so ist, dass man nachdenkt, über Dinge des Seins und Leben, die man vielleicht sonst nicht so ansieht.

Ein halbes Jahr habe ich nur gelesen, erst bei Frau Alma, dann bei den anderen rundherum. Und dann im Naikan durft ich weder Lesen noch Schreiben und die Worte stauten sich in meinem Kopf und die Bilder und die Filme und Töne und Songs und wollten heraus. Und so fing es an und kam dem mir eigenem Exhibitionismus, der Sucht zu schreiben, mit-zu-teilen entgegen; Schubladen voller Worte, Geschichten, Romanfragmente Gedichte, nie abgeschickte Briefe, handgeschrieben, Schreibmaschine auf Thermopapier, verblassend. Und dann kam Antwort. Der verehrte Herr Glumm persönlich. Monate später dann Herr Nömix, dem ich gestern erstmals in die Augen gesehen habe. Augen zu den Worten, nach fast fünf Jahren. Und Herr MadProfessor mit dem feinen Musikgeschmack. Es sternenstaubte trotz Trauer und man konnte umarmen. Datja, als würde ich ihr Lachen schon immer gehört haben. Und dann Frühling, wir öffnen die Türe und Rosmarin weht herein.

Was ich am Bloggen immer wie am Radio geliebt habe, war das Unsichtbare, die ganz große Chance für die Fantasie, die Möglichkeit, sich einen Menschen, ein Gefühl aus Worten selbst zu erschaffen, zusammenzusetzen aus den Bausteinen der Erfahrung. Nicht abgelenkt durch alt und jung und schön und hässlich, dick und dünn und schwarz und weiß und blond und rot und Schnauzbart und Karohemd und Mann und Frau. Im Schatten bleiben, unsichtbar sein. Das war wohl am schwersten aufzugeben, als ich begann, meine Welten zu verschränken. Und hat sich doch so gelohnt. Denn so saßen am 17. Dezember drei Frauen an einem Tisch und schmiedeten Pläne und weil sie starke Frauen sind, setzten sie den ersten auch gleich in die Tat um, den einer gemeinsamen Lesung.

Und so haben wir in unseren Texten gewühlt, wie andere Frauen vielleicht in ihren Kleiderkästen, Madame LaMamme, Lady Testsiegerin und ich: „Oh, den mag ich gerne.“ Der ist schön.““Den kannte ich noch nicht.““Den hab ich selbst vergessen.““Ach nimm den kurzen noch dazu.““Der ist sexy.“ „Nein, den nicht!“ Der H. hat uns fotografiert und bekocht. Geprobt haben wir mit professioneller Unterstützung der sinnlichen Schauspielerin. Und aufgeregt waren wir, Musik wollte der Erstgeborene beisteuern und weil er gar nicht konnte, wollt ich das machen und bin gescheitert, weil es halt manchmal so ist. Und doch nichts macht.

Am Morgen bin ich lächelnd erwacht aus einem Traum aus grünem Billardtuch und grünen Bergseen. In der Küche sang die Callas in den 1960ern der „100 Jahre“. Die Sonne schien warm auf meinen Rücken, als ich mit dem Freund aus dem Wohnzimmer des Erstgeborenen am Nachmarkt zu Mittag aß, Muscheln und doch zwei Gläser Wein, freudig erregt in Hinblick auf den Abend. Frühling. Ein heiteres Mittagessen unter fast Fremden deren Leben sich vor allem in einem speziellen Raum berühren. Hinterm Mond gleich links.

Viele gute Geister hatten geholfen und der Rahmen war zauberhaft wie die Atmosphäre. Und dann standen wir da, aufgebrezelt wie unsere Texte, einander umschwirrend und strahlend – so strahlend. SCHÖN. Und die lieben Gäste. Und dann Lesen, das Echo der Worte in den Augen der Menschen sehen, spüren wie die Worte ankommen, die eigenen Worte und auch die schon so vertrauten der schönen Frauen an meiner Seite im Raum neu entstehen sehen. Ein Lachen, in das Andere einfallen, ein Schlucken, ein Lächeln, das strahlende Nicken der Schauspielerin, die „richtige“ Reaktion. Und dann trägt es uns, das so achtsame Publikum. Applaus. Wie damals im Theater.

So viele mit denen man sprechen möchte und doch nicht fähig, auf sie einzugehen, Noch wiehert das Zirkuspferd, viel zu laut und scharrt mit den Hufen, Glücksrausch, Nähe, Wärme, Menschen. Und immer wieder schließen sich Kreise. Aus Fremden werden Begegnungen, Freunde, Vertraute, das Leben. Wir trinken noch zusammen – griechischen Wein und Essen und wollen nicht recht voneinander lassen. Müssen wir ja auch nicht.

Und es geht mir so verdammt gut, ich bin so unendlich glücklich und so dankbar.
Es geht aufwärts:

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Stöckchen: Ein Song zum 31. März 2011? Such a perfect day...
2141 mal erzählt
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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