25
Mai
2008

Schmerzensschrei(b)e

Ich bin eine der letzten großen Tragödinnen, habe ich gerne von mir behauptet. Aus Sehnsucht hab ich mein Süppchen gekocht. Wie lange habe ich geglaubt, dass Kunst nur aus dem Kummer komme, dass Seelenschmerz das Schreiben nähre. Das war mir Trost und Freude, wenn ich in meinen Tränen gebadet habe.

Unter denen, die ich verehrte, deren Worte ich aufsog, deren Schallplatten mich begleiteten, deren Filme mich verzauberten, waren keine glücklichen Menschen. Ich verschlang ihre Biographien, um mir die Bruder- und Schwesternschaft des Leids immer wieder zu bestätigen. Und wenn ich einsam war, erst wenn ich richtig einsam war, war ich nicht mehr einsam, weil ich zu ihnen gehörte. Ich litt und glaubte Literatur zu erzeugen, in der Petrischale meiner Pein wuchsen Gedichte.

Nur nicht glücklich werden, nur nicht zufrieden, denn das hieße die Seiten wechseln, war ich überzeugt. Wie liebte ich das Leiden. In der Gier nach dieser Droge nahm ich Menschen und benutzte sie als Waffe gegen mich – ich ritzte mich mit ihnen, so wie ich mich in die Hand biss, angeblich um vom Herzensschmerz abzulenken, eigentlich, um noch mehr zu spüren, ein sichtbares Mal, dass mich immer daran erinnert und doch wieder verblasst. So wie die anderen Schmerzensquellen.

Es ist nicht einfach, man muss das Leid am köcheln halten, um es abzuschöpfen – und selbst dann ist es oft wie bei der Rindssuppe nur schmutziger Schaum oder es kocht über und riecht komisch.

Und fast unmerklich bin ich glücklich geworden. Immer schwieriger wurde es in den letzten Jahren, meine kleinen Dramen zu inszenieren. Zufriedenheit hat mich wohlig eingehüllt. Die großen Gefühle sind dem großen Gefühl gewichen. Kaum mehr Gewitter. Dafür nähren viel öfter Schäfchenwolken die Fantasie. Tränen vor dem Fernseher und manchmal vor Rührung. Hin und wieder ein Aufflackern einer Tragödie, wie wenn ich ein altes Buch lese, ein Märchen, ein Mythos, eine Sage, mit einem Kern von Wahrheit.

Es ist Essenz, die Suppe, manchmal würz ich ein wenig nach, gerne teile ich.
Glück, Liebe und Zufriedenheit.

Inspiriert von Frau Frogg

Gut-drauf
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16
Mai
2008

Eiskaffee mit der Kindheit

Sie war die beste Freundin meiner Kindheit – eine Mädchenfreundschaft wie diese hab ich wohl nie mehr erlebt. Sie wohnte neben uns in der Arbeitersiedlung. Es gibt Fotos, auf denen wir Händchen haltend lachend als Dreijährige durch unseren Garten tollen. Und andere später, auf denen wir ernst schauen.

Sie hatte lange blonde Haare, einen dicken Zopf, der sogar über ihren Popo hinunter hing. Die Haare waren sehr schwer, hat sie mir einmal erzählt, vor allem, wenn sie sie wusch und das war auch sehr mühsam. Sie durfte sie nicht schneiden lassen. Wegen ihres Vaters. Der war streng und manchmal kam auch der Teppichpragger zum Einsatz. Meine Mutter hat eher mit der Hand zugeschlagen. Und sich nachher entschuldigt.

All das fällt mir ein, als ich mich mit der Freundin treffe. Zwanzig Jahre haben wir uns nicht gesehen. Und haben uns lange vorher schon verloren. Wir haben verschiedene Volksschulen besucht und schließlich kam ich ins Gymnasium und sie in die Hauptschule. Dabei war sie gleich intelligent wie ich, die Fleißigere, die Ordentlichere und sie konnte wunderbar zeichnen. Aber ich war eben das Bürgerkind, das aufs Gymnasium musste. Ich habe sie unterwegs verloren, aus Unachtsamkeit, wie viele Menschen und Dinge auch.

Sie hat den Kontakt gesucht und so freu ich mich auf das Treffen in der Stadt, in der ich jetzt schon mein halbes Leben verbracht habe. Unterwegs zur Eisdiele kommt mir immer wieder das kleine blonde Mädchen in den Sinn. Es wäre dumm, danach Ausschau zu halten nach all der Zeit. Und doch suche ich - dort angekommen - einen Blondschopf. Und dann blick ich plötzlich in andere suchende Augen. Da ist sie. Die Augen erkenne ich sofort. Wir sind sehr aufgeregt, alle beide. Ihr Mann ist dabei.

Während sie spricht kommt langsam das kleine blonde Mädchen wieder hervor. Es ist der Klang der Worte, auch wenn es die Stimme einer Frau ist, die Augen, die so oft, wenn sie etwas gesagt hat, Kontakt suchen, wie um sich das Verstehen bestätigen zu lassen. Das war früher auch so. Die Hände, die sie therapeutisch nützt. Shiatsu hat sie gelernt – wie mein Mann. Das freut mich. Sie auch, seh ich, denn sie lächelt. Winzige Indizien der Vertrautheit. Manchmal erahnen wir zwischen den Worten die Kindergeheimnisse von einst.

Und plötzlich weiß ich wieder, dass sie die einzige Vertraute war in meinem Kleinmädchenschmerz, dass sie viel gewusst hat und immer da war. Habe ich mich zuerst nur an ihre Ängste und ihr Kinderleid erinnert, weiß ich jetzt, dass sie auch meines mitgetragen hat. Dass jede den Schmerz der anderen spürte. Es tut mir so leid, dass ich sie verloren hab.
Ich bin so froh, dass sie mich wieder gefunden hat.

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13
Mai
2008

Luxus und Leidenschaft

Nach einem wunderbaren Ausflug mit Mittagessen im Landgasthaus im Reich der Venus von Eggendorf inspiriert von Frau Alma klang der Abend beim Erstgeborenen aus. Gesprächsthemen an diesem falschen Freitag voll Leidenschaft: Vom Glück der Tanten und Onkeln im Allgmeinen und Besonderen, von Freude und Luxus, von Filmen und Schallplatten. Und dazu ein Satz, so typisch für den, den ich den Erstgeborenen nenne: "Der unendliche Luxus unserer Zeit ist, dass wir so viel Altes neu entdecken können."
Auch dafür liebe ich ihn.

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8
Mai
2008

“Show Us Your…Spice Collection!”

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Gabi from The Feast Within startet a blogging event asking to show our spice collections. I'm one day too late, as I recognised today BUT I' m so proud of my spice collection - I have to show it anyway!
Edit: Gabi informed me that I was not too late - so keep Your fingers cross and visit "the feast within" tomorrow, when the winner will be announced...


Voila:
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I take it with me, whenever I cook with friends. My nephews love it.

For Rote Linsensuppe I use kurkuma, lemon pepper, koriander, chilli and whatever inspires me.....


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Zutaten für 4 Portionen:

2 mittelgroße Karotten
2 kleine Zwiebeln
1 daumengroßes Stück Ingwer
200 g rote Linsen,
2 EL Butterschmalz (Ghee)
200 g Joghurt
Zitrone
Salz
Pfeffer
1 EL Marillen- oder Orangenmarmelade
1 Liter Gemüsefond (aus allen Gemüseresten einer Woche ausgekocht, 1 Kilo Gemüse, 3 L Wasser, Wurzelgemüse plus Selleriestangen Champignons und Kirschtomaten))


Die Karotten, Zwiebel und Ingwer sehr fein würfeln und in einem Topf mit Butterschmalz glasig anbraten. Die Linsen dazu und kurz mitbraten. Gemüsebrühe dazu und bei schwacher Hitze und geschlossenem Deckel köcheln lassen. Marmelade einrühren. Topf von Herd nehmen, die Linsen pürieren und Joghurt unterheben. Mit Salz, Pfeffer, Zitrone und Gewürzen nach Laune abschmecken.
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5
Mai
2008

Dahoam

Auffällig: je näher ich meiner Bergheimat komme, desto kleiner werde ich.

Da denk ich dann wieder den alte Gedanken: Dass die Menschen deshalb so gläubig dort sind oder zumindest scheinen, weil ihnen nur der Blick nach oben bleibt, dorthin, wo der Herrgott wohnen soll.

Und dann bricht er heraus zwischen Felsen, ein Bergbach voll Tränen. Nur am Treibgut kann ich erkennen, wo diesmal Unwetter nieder gegangen sind. Die Oberfläche glitzert in der Sonne wie tausend Kristalle. Das Wasser ist kühl und klar. Der Untergrund ist nur in kurzen Augenblicken zu erkennen. Und auch wenn sich der Lauf tief in die Felsen gegraben hat, auch wenn einst Raues fast schon gefährlich glatt erscheint, der Bach lässt sich nicht regulieren, lässt sich in kein Bett zwängen.

Vielleicht weiß ich, woher er kommt, wohin er fließt, kann ich nur ahnen.
Und so sitze ich am Ufer und versuch erst gar nicht, mich im klaren Wasser zu spiegeln.

Zurück in der Stadt geben mir die grauen Mauern Sicherheit, in den Schaufenstern und im regennassen Asphalt erkenne ich mein Gesicht. In der Straßenbahn sehe ich Gott in den Augen der Menschen.

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1
Mai
2008

Tag der Arbeit

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29
Apr
2008

Ohne Worte - Zeit für Bilder

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671 mal erzählt

24
Apr
2008

Sound of Versöhnung

34 Jahre lang sind sich Karl Ratzer und Harri Stojka konsequent aus dem Wege gegangen. Ihre Tonträger sind höchstens da oder dort in den Plattenregalen ihrer Fans aneinander gelehnt, aber ansonsten – glaubt man den Chronisten – herrschte Eiszeit zwischen den Roma-Cousins. Ihre Väter hatten das KZ überlebt, die Söhne verstanden es das ererbte Talent zu nutzen. Karl Ratzer holte den 13-jährigen Harri Stojka als Bassisten in die legendäre Band „Gipsy Love“ mit Kurt Hauenstein, Peter Wolf und Jano Stojka.1972 ging Ratzer dann nach Amerika, wo er mit Chet Baker, Bob Mintzer oder Chaka Khan Musik machte. 1974 stand er bei einer Österreichtour das letzte Mal mit dem jüngeren Cousin auf einer Bühne. Und dann gestern im übervollen Porgy&Bess.

 

Weinrot gewandet und irgendwie mächtig trat Ratzer als Erster auf – begleitet von seiner Band Scars (Tommy Hojsa: piano, keyboards, Edi Mayr: bass, Lenny Dickson: drums). Zigarette, Getränk, murmelnd und grantelnd, nur klar zu verstehen, wenn er spielte und sang. Und wie er spielte und sang. Erst nach zwei, drei Nummern kam Stojka auf die Bühne, schmäler und freundlicher, ins Publikum lächelnd, glücklich über die von ihm herbei gesehnte Versöhnung. "Die Wahl der Waffen" sei unfair, meinte in der Pause der Freund und Jazzgitarrist, der uns zu diesem Abend entführt hatte. Stojka sei kaum zu hören gewesen, erklärte er mir, die ich Musik vor allem sehe. Und ich sah Ratzer Zeichen geben, mit kleinen Gesten seine Band dirigieren und sah Stojka sich freundlich unterordnen, den Großen gewähren lassen. Auch wenn der ihn sogar einmal kurz mit seinen Vebeugungen, der Freundlichkeit dem Publikum gegenüber, die Ratzer so gar nicht zu liegen scheint, parodierte. Dazwischen Töne, unendlich schnelle Gitarrenläufe, Leidenschaft, Jazz. Im Zweiten Teil schienen sich die beiden Cousins einander doch wieder mehr angenähert zu haben und so ließ dann und wann der eine dem anderen rauchend den Vortritt. Am Schluss dann die Liebeserklärung. "Es gibt zwei große Gitarristen für mich", erklärte Harri Stojka, selbst einer der wichtigsten Jazzmusiker dieses Landes: "Django Reinhardt und Karl Ratzer." Und er verneigte sich. Der Große lächelte.

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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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Im Bilde

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