9
Jul
2007

Gib 8 - Stöckchen aufgelesen

Bei Dr. Yes und anderen gerne Gelesenen bin ich über ein Stöckchen gestolpert: Acht Dinge, die Sie vielleicht gar nicht über mich wissen wollen:

1. Ich schlafe fast nie ohne das Schaf
2. Wenn irgendwie möglich würze ich mein weiches Ei mit einem winzigen Stück Butter, Tabasco und Worcestershire-Sauce - was gar nicht so einfach ist im Ei! Ich rühre mit dem Messer um.
3. Ich bete zum Heiligen Parkplatzius um Parkplätze - und er erhört mich.
4. Ich sag manchmal Danke zum Bankomaten.
5. Ich bin bekennender Jonathan Richman Fan und zwinge anderen im betrunkenen Zustand meinen Musikgeschmack auf.
6. Ich ziehe neu Gekauftes sofort an.
7. Ich schlafe öfters mal bei Tisch ein – in trauter Runde.
8. Ich heule gerne aus Rührung: bei Hochzeiten, "Nur die Liebe zählt", gut gemachten Werbungen oder gerade eben, weil Freunde eine liebe Karte aus den Flitterwochen geschrieben haben.

Nehm sich das Stöckchen wer will, obwohl ich gerne 8samkeiten von Conalma, der Testsiegerin, Dr. Schein, der lyrischen SuMuze, die wahrscheinlich lieber dichtet als Stöckchen fängt, Capuccina, Schema G und meinen lieben Gästen Kubse und dfw (die können ihre 8 ruhig hier deponieren) wüsste. Kein FangZwang!
1445 mal erzählt

Familien fest

Wenn sie von der Familie redet, ist es keine Familie sondern ein Volk. Ein auserwähltes Volk, auch wenn sie mit dem biblisch auserwählten Volk nichts zu tun haben will. Schließlich ist sie in den 30er Jahren aufgewachsen. In dieser Familie. Der besonderen. Mit den guten Genen. Gene, die Fleiß garantieren und Ordnungsliebe. Gene, auf die man stolz sein kann, stolz sein muss. Auch wenn man sonst nicht viel gehabt hat. Vier saubere Kleider und saubere Gene. Der Vater war Handwerker und wollt's nicht sein. Der Bruder, der beste Bruder, den die ganze Stadt achtete und schätzt, hat das Handwerk übernommen. Die Gene haben alle vier geerbt. Die Schwester, das Luder, vielleicht am wenigsten. Alles was schlecht ist, ist von außen gekommen. Angeheiratet: das Lügen und Angeben, das Ostische-Jüdisch-Weiche, der Zorn, das Spinnerte und ein Fluch. Angeheiratete Depressionen. Die Familie hat so was nicht, die hat gute Knochen und Kummer und Wut nur berechtigt. Von der Arbeit, weil alle so viel arbeiten. Unbedankt. Dass die Buben in Felswänden ihr Leben riskieren oder den Tod auf Schienen gesucht haben, hat nichts mit der Familie zu tun. Das kommt von außen. Wir sind halt die besten. Darum darf man sich so eine Familie auch nicht verderben lassen. Durch schlechtes Blut. Da ist schon eine Amerikanerin problematisch, bei der man die Eltern nicht kennt oder die Großeltern. Die Türkin war zwar fesch, aber die durfte nicht einmal ins Kasino. Weil sie Türkin ist. Und wer weiß, ob da nicht die ganze Familie kommt und in das Haus einzieht, das sich der Bruder gebaut hat. Zwei Schwiegersöhne haben Kinder mit anderen Frauen, auch nicht so gut. Aber wenigstens kennt man die Familie, bis hin zum Großvater. Obwohl: geschieden, unehelich.
Man kann es sich nicht aussuchen, trotz der Gene. Trotz auserwähltem Volk.
856 mal erzählt

4
Jul
2007

Aus der Zeit – Happy End

Filme mit Happy End mag ich am liebsten. Klar mag ich auch die traurigen oder die, die einen grübelnd zurück lassen. Aber am schönsten ist es, wenn alles gut ausgeht. Auch nach dem Abspann vor dem Kino. Wo die Knopfkönigin mit ihrem "knight in shining armour" sitzt. Wie aufregend klingt der Ritter in schimmernder Rüstung im Vergleich zu unserem simplen Märchenprinzen. Die Drachen hat die Königin letztendlich selbst besiegt und dann hat Rapunzel ihr Haar herunter gelassen. Jetzt sitzt er hier, der Ritter mit dem Cafe in Californien. Dabei trinkt sie doch gar keinen Kaffee, Fee, die Königin, Felicitas, die Glückliche, die so lange unglücklich war. Lieber trinkt sie einen guten Rotwein und ihr Ritter mit dem weißen Haarhelm trinkt Bier. Bewundernd schaut er sie an, während sie noch einmal die Geschichte vom Knopfkönig erzählt. Von der verliebten 16-jährigen und der trotzigen jungen Frau, die alle Warnungen der Mutter in den Wind geschlagen hat. "Dabei hat sie so recht gehabt." Ihren Ritter jetzt hat sie wegen Niemandem und gegen Niemanden. Endlich. Der Panther ist befreit. Es gibt keine tausend Stäbe und keine Knöpfe mehr. Das Leben huscht nicht mehr am Fenster vorbei. Es ist hier am Spittelberg in einer lauen Sommernacht, nach dem Film, vor dem Kino. Die Augen glänzen, ein süßes Wiener Mädl, die Button-Queen. Der Ritter lächelt.

"Aus der Zeit" läuft noch bis 12. Juli im Filmhaus am Spittelberg
631 mal erzählt

2
Jul
2007

Märchen von den sechs Sesseln

Und es begab sich einmal, dass sich in einem Gasthaus am großen Wald, eine gar wundersame Gesellschaft zusammen fand. Drei liebreizende Damen und drei gebildete Herren – oder auch umgekehrt. Sie kannten sich kaum und kannten sich gut. Sie hatten viel voneinander gelesen und kaum voneinander gehört. Am runden Tisch saß und tafelte dieses seltsame Sechseck als Tafelrunde. Ein Abendmahl und nicht das letzte. Ein Anfang.

Sie teilten Speis und Trank und fütterten sich. Mit Worten, Gedanken, Musik, Film und Leben. Und je mehr sie gaben, desto mehr bekamen sie. Sie winkten das Glück an ihren Tisch. Und auch wenn der eine oder die andere immer wieder hinaus musste in die unruhige Nacht, die das Gasthaus so nah an den finst'ren Wäldern und der großen Stadt umfing, so war doch klar, dass es dort einen Tisch mit sechs Sesseln gibt. Dass es überall so einen Tisch gibt.

Und es begab sich, dass ein halbes Sechseck sich bei Wein in Wien vergnügte, immer sich nach der anderen Hälfte sehnend. So ein Dreieck rollt ja nicht so rund. Ein Dreiecksdrittel war vorher beim Fest des Fürsts der Armen gewesen. Der hatte einst für die Geknechteten und Entrechteten gekämpft, bis er den Pakt mit den Piraten einging. Bei der großen Tombola dort gewann das Dreiecksdrittel sechs Sessel, während es bereits als Sechseckhälfte in Wien Wein trank.

Jetzt gibt es im Herzen der Stadt, gegenüber der Kirche, einen viereckigen Tisch, der auf eine sechseckige Tafelrunde wartet. Und sechs Sessel, die einem Schicksal als Besprechungs-, Arbeitskreis- oder gar Kontrollkomissionssessel entgangen sind.

Und die Moral von der Geschicht: Man muss das Glück nur an den Tisch winken.

Jetzt mit Bild aus der Mischmaschine

BildrMischMaschinenBild6eck
1189 mal erzählt

29
Jun
2007

Sternstunden und der Franz

Ein Stern hat mir die Geschichte vom Franz erzählt. Ein trauriger, trunkener Stern, der am Verlöschen war. Außen schon erkaltetes Metall und innen voller Glut.

Ich höre seine Stimme, sein trockenes Lachen, den keuchenden Husten des starken Rauchers. Von einem jungen Hirten aus Vorarlberg, erzählt er, der zur Waffen-SS geht. 1945 flieht er heim, zurück nach Feldkirch, versteckt sich vor den französischen Besatzern, der Hirtenbub, grade 20, in den Wäldern, und wird doch gefasst. Zweimal hat versucht er aus dem Gefangenenlager zu fliehen, dann kommt er ins Gefängnis. Krank sei er geworden, schlechte Kartoffeln, die erste Vision: Engel und Teufel. Und der Stern blickt nach oben, die Hobby in der Hand, den Gspritztn am Tisch und ich sehe es auch. Dann kommt er ins Irrenhaus, der Franz. Elektroschocks und noch mehr Engel und Teufel. Er verlässt seinen Körper und die wunderschönen Erzengel helfen ihm dabei. Der Stern lacht. Franzens schöne Erzengel. Hirte und SS-Mann. Irgendwann ist er dann zurück, der Franz. Im Bahnwärterhäuschen haust er, ein Sonderling, und schnitzt. Das hat er dort gelernt. Aber er schnitzt nicht, er befreit nur, was da ist. Eines Nachts - und der Stern malt eine Winternacht in die Kantine – eines Nachts geht er durch den Wald. Zu einer Kirche. Und er hört seinen Namen. Franz, Franz, ruft die Kirche. Und in der Kirche, die wundersam erleuchtet ist, des Nachts, sieht er ein Fresco, das er noch nie gesehen hat, so schön. Und der Franz spricht mit dem Pfarrer über das Bild, will es befreien, um Gott zu preisen und die Engel. Aber der Pfarrer sieht nur einen Wasserfleck. Der Franz redet und schildert. Und der Pfarrer sagt Ja. Und als der Franz dann kommt, hat der Pfarrer den Wasserfleck übermalen lassen. Der Stern trinkt noch an Gspritztn.

Der Franz, den ich kennen lernen durfte, Franz Huemer, hat mir diese Geschichte nicht erzählt. Er hat mir die vielen Bilder im Turiner Leichentuch gezeigt. Aus dem Stern - der Zeitung - hatte er es ausgeschnitten und die Bilder hervor geholt. Manchmal rufen ihn Wurzeln am Weg und dann muss er die Figuren herausholen. Feengesichter und Zauberer, Engel und Teufel in Haus und Garten. Und meine Freunde: der Stern und der Teufel. Das Mädchen mit den großen Augen. Mein Mann. Der Franz. Und Himmel und Hölle in ihren Manifestationen und Spiegelungen. Ganz leise und trocken höre ich in weiter Ferne einen Stern lachen. Und dankend grüße ich zurück. Wenn ich ihm grad noch an Gspritztn holen könnte.


IMG_7886

Vom Franz zur Hochzeit
1419 mal erzählt

27
Jun
2007

Aus der Zeit

Noch immer stehe ich unter dem Eindruck des Films "Aus der Zeit". Alte Menschen waren darin zu sehen, Menschen in ihren Siebzigern, Achtzigern. Es fällt mir schwer "alte Menschen" zu schreiben. Es liest sich so verboten, diskriminierend. Sind meine Eltern alte Menschen? Ältere ArbeitnehmerInnen schreibe ich in Aussendungen. Ältere ArbeitnehmerInnen sind in meinem Alter, weiß ich, weil ich Multiplikatorin bin. 40 plus, 45 plus allerhöchstens ist die ältere ArbeitnehmerIn. Und schwer vermittelbar – beruflich und privat. Die Damen im Film waren keine ArbeitnehmerInnen. Chefinnen waren sie, verheiratet mit dem Geschäft. In guten wie in schlechten Zeiten. Bis dass der Tod uns scheidet.

"Zuerst bringen die Nazis dein Vater um, dann heiratest den Knopfkönig", sagt die traurige Königin. Jetzt ist er ein lebendiges Gemüse. Alzheimer. Wie Rilkes Panther läuft sie hinter der Budel hin und her. Ihre Stäbe sind Knöpfe. Das verpasste Leben dauert sie und wohl auch, dass die Mutter recht hatte mit der Warnung vor dem schönen Mann. Sie muss einmal ein süßes Knopfprinzesschen gewesen sein, in das sich der König damals verliebte. Jetzt trägt sie Brokat. Noch immer blond. Sie hat den Laden geschmissen. Sie spreizt die gepflegten Finger. Aufrechte Haltung. Der König hat vier Sprachen parliert und sprechen hat sie müssen. Ein Lehnstuhl, ein altes Radio. Eine Geschäftsfrau, die Privatier sein will. Nicht Panther im Käfig. Und immer wieder der Blick durchs Fenster. Dort wo das Leben vorbei huscht an der Königin. Wie es halt den Königinnen oft so ergeht.

Die kleine Frontsoldatin macht's für ihren Mann. Nicht in Pension, immer im Dienst, die Uniformmütze auf, über die Nähmaschine gebeugt. Schöne Falten, gute Augen, ein verspielter Mund zum weißen Haar. Das Gröbste an der zerrissenen Lederjacke hat sie noch gestern gemacht, sonst hätte sie nicht schlafen können. Es geht um die Jacke nicht um sie, um perfekte Reparaturen und um sein Geschäft. Schon als kleiner Bub. Ledergeruch. Ob er sie je über die abgetragene Schwelle getragen hat, hinein ins einzige Zuhause in Wien? Immer im Dienst, nicht in Pension, weil August das nicht aushalten würde. August, der Krebs, den seine Ahnen zum Weitermachen zwingen. Im Dienst der Vorfahren.

"Herzerl, schau obe auf mi, hast mi allan lass'n", weint der Pepi. Herzerl, die Mama, seine Frau war 54 Jahre mit ihm verheiratet. Gemeinsam haben sie das Linoleum verlegt und vielleicht auch die Casanova-Kassette aus. Charmant ist er der Herr Pepi und hat immer Stollwerk, des mögens die Kunden, und Spanish Leder Seife. Jetzt ist er bei der Mama, hat Harald Friedl erzählt.


"Aufs Altwerden brauchst di nit freuen"
, sagt meine Mutter und meint dann meist Schmerzen. Wohl aber auch den unendlichen Schmerz der Königin, an der das Leben vor dem Fenster vorbei gehuscht ist. Die versäumten Gelegenheiten, das verpasste Leben, das immer nur beim Fenster hereingeschaut hat. Nur selten zugeschlagen, oft betrogen. Trinkgeld fürs Enkerl, für die Kinder, für die Familie. Keine Dankbarkeit und so viel Enttäuschung. Dabei sind sie doch Königinnen. Und keiner will es sehen. Als Aschenputtel hat Mann sie verkleidet und dann war es plötzlich zu spät. Sie hatten den Ball verpasst. Die Wäsche, die Küche, die Arbeit. Japanischer Kleinwagen statt Kürbiskutsche. Crocs statt Silberschuh. Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende. Eben nicht. Zwar bis an ihr Ende aber alles andere als glücklich. Irgendwer hat ihr Leben gestohlen.

Und was ist mit den Sommertagen? Dem guten Glas Wein? Dem Lächeln eines geliebten Menschen? Was ist mit den besiegten Drachen und den dummen Prinzen? Dem Linoleum. Rock'n Roll in der Fleischerei und auf der Terasse. Spintisieren in der Werkstätte. Den vielen großen und kleinen Abenteuern? Vielleicht vergisst man all die Feste der Liebe tatsächlich, vielleicht schaut man auch bloß nicht mehr hin. Un-Achtsam. Und dann entgleitet das Leben. Entschwindet nach draußen vors Fenster. Rapunzel muss bloß sein Haar herunter lassen.

"Aus der Zeit" wird noch bis 5. Juli um jeweils 18 Uhr im Filmhaus am Spittelberg gespielt.
1036 mal erzählt

In der Zeit

Da war er plötzlich wieder. All die Jahre hatte ich ihn vergessen. In der Zeit als mein Fenster direkt auf die Gasse ging, konnte ich ihn täglich sehen. Ich saß oft am Fensterbrett, ein Fuß baumelte auf die Straße und er ging vorbei. Seine Kleidung: schwarz und altertümlich. Eine Hut wie eine mittelalterliche Knappenkappe, darunter das weise Haar, kinnlang. Gebeugt am Stock und voll unendlicher Würde. Ein Lehrer, Professor, Meister. Ich musste ihn einfach grüßen und er hat den Gruß lächelnd erwidert. Irgendwann bin ich dann übersiedelt, in eine andere Gasse, in den vierten Stock.

Und dann sah ich ihn gestern im wunderbaren Film. "Aus der Zeit" Im Ledergeschäft Jentsch lässt er eine Tasche reparieren. Einem Ort, wo man entbunden ist von der Zeit, wie der Besitzer, August Jentsc,h vermutet: "Das Gschäft selber ist die Zeit." Und seine Frau Katharina, "Frontsoldat, der auf Ablöse wartet, die niemals kommt", pflichtet ihm bei. Ihm, dem Krebs, der nicht loslassen kann, der das alte Geschäft so gerne in Watte packen möchte, wie seinen ersten Groschen.

Der Lehrer, Professor, Meister hat eine antroposophische Buchhandlung, erzählt mir Harald Friedl, der diesen Film gemacht hat. Wir sitzen in der Creperie am Spittelberg mit Christine und Georg Königsstein, die wunderschöne Bücher machen, und reden. Über den Film, über Wasser und dann noch lange über das Leben und die Welt.

Mir gegenüber sitzt Mr.F und freut sich – der Menschenmittler hat wieder einmal eine Tischgesellschaft komponiert.

Jeder Tag meines Lebens erscheint mir wie ein kostbares Geschenk. Es gibt so viel zu hören, zu sehen, zu spüren, zu schmecken und zu erfahren – in der Zeit und aus der Zeit.

"Aus der Zeit" wird heute und morgen ab 18 Uhr im Filmhaus am Spittelberg gespielt. Bitte anschauen!
826 mal erzählt

19
Jun
2007

To absent friends

Heute vor einer Woche vor dem Volksgarten-Pavillon um zwei Uhr früh war er plötzlich wieder da. Wir haben ihn wohl her gewinkt zu unserem Tisch, schließlich war er ja ein Freund. Er war keiner von den Freunden, die man anruft und denen man sein Herzeleid erzählt. Ich habe mich nie mit ihm verabredet und ihn oft getroffen. In verschleppten Mittagspausen im Schwarzmarkt bei einem kleinen Bier, in der winzigen Wohnung des Erstgeborenen, rauchend, am Fußboden zusammengekauert, Schallplatten hörend, über den Job lästernd oder trinkend nachts im Volksgarten. Wir haben uns geneckt, manchmal debattiert und vielleicht auch ein wenig geflirtet. Ich habe ihn ausgeschimpft, wenn er zu sehr über seine Freundinnen hergezogen ist und oft über seine Zynismen gelacht. Manchmal sehe ich ihn noch, da betrinkt er sich mit dem Erstgeborenen und mir am Freitagnachmittag oder er fährt im Auto mit auf der Süd mit uns. Auch die anderen treffen ihn hin und wieder. Unverbindlich wie immer. Man kann ihn nicht anrufen, sich nicht mit ihm verabreden, aber er ist verlässlich immer wieder da. Einmal hat er im Volksgarten sein T-Shirt hoch gerissen: er hatte sich ein Herz ins üppige Brusthaar rasiert. Es sah entzückend aus.
Und dann stand er plötzlich an einem Sonntag vor acht Jahren in der Kronenzeitung – er füllte eine Doppelseite.
Unser Freund, der Geisterfahrer, der gegangen ist, um nicht zu vergehen.
864 mal erzählt

18
Jun
2007

Siamkater (5)

Sie waren ins Schlafzimmer geflohen und hatten den Kater ausgesperrt. Nachdem sie ihm so geschickt und elegant wie möglich ein Kondom übergezogen hatte – Julie war von Sinnen aber nicht wahnsinnig – überließ sie Özgür die Führung. Sie genoss sein Fordern. Sie ordnete sich ganz den harten Küssen und dem Drängen seiner Hüften unter. Er war geschickt und drang schnell in sie ein. Anfangs tat es fast ein wenig weh, aber schon wich der Schmerz der Lust. Sein Körper war fest, seine Muskeln aufregend und endlich verdrängte sein Geruch den Gestank des Rasierwassers. Kurz überlegte sie, ob es daran lag, dass sie schon längere Zeit keinen Sex gehabt hatte oder ob es mit Özgür zusammen hing, dass ihr der Liebesakt so neu erschien. Sie war die langen Vorspiele ihrer aufgeklärten Freunde gewohnt und das war purer Sex. Es war Akt, Rhythmus, Kampf und unendliche Lust. Dann überlegte sie nicht mehr. Dann gab sie sich nur mehr hin, teilte Akt, Rhythmus, Kampf und unendliche Lust.
Sie erwachte spät und allein. Nur langsam kehrte die Erinnerung an die Nacht wieder. Die Schlafzimmertür war offen und auch ein Fenster im Wohnzimmer. Der neue Ventilator lief. Sie streckte sich und spürte plötzlich das leichte Ziehen in ihren Beinen. Es war so lange Jahre her, dass sie einen Muskelkater vom Sex gehabt hatte. Sie musste grinsen und schnupperte an den Laken. Alles roch nach Sex und sie war zufrieden – befriedigt. Als sie endlich aufstand, stellte sie fest, dass Özgür die Wohnung durch das Fenster verlassen haben musste. Der Schlüssel steckte innen. Und noch etwas fiel ihr auf, während sie sich einen Kaffee aufstellte: Bhumipol war verschwunden. Sie durchsuchte die ganze Wohnung, aber alles war sie fand war ein übel riechende Würstchen in ihren Lieblingsschuhen. Sie rief ihn sogar, obwohl sie das als vollkommene zwecklos erachtete, denn auf seinen Namen hatte er nie gehört.
Özgür tauchte nicht mehr auf der Baustelle auf – sie wollte dort auch niemanden nach ihm fragen. Auch der Kater blieb verschwunden, obwohl sie einige Plakate aufgehängt hatte – mehr weil man das so machte, als aus Sehnsucht. Es war Zeit für sie endlich wieder einmal auf Urlaub zu fahren. Sie wusste nur noch nicht, ob nach Antalya oder nach Thailand.
600 mal erzählt

17
Jun
2007

Siamkater (4)

Natürlich war Julie klar, dass sie kein Rendezvous hatte, sondern auf die Lieferung eines Ventilators wartete. Trotzdem war sie kurz nach 18 Uhr auf alles vorbereitet. Sie hatte sich an den wichtigen Stellen noch einmal rasiert und schöne Wäsche an. Darüber trug Sarong und Hemd. Den guten Sarong zwar, aber Özgür kannte ja ihre Alltagskleidung und alles andere hätte seltsam gewirkt. Für alle Fälle hatte sie ein Kondom in der Nachtischlade und ein Zitronenhuhn im Backrohr – vielleicht wollte er ja doch zum Essen bleiben. Sie hatte schon länger keinen Mann gehabt. Sie war nervös. Der Kater spürte das, strich durch die Wohnung. Kurz vor halb sieben rechnete sie nicht mehr damit, dass er kam. Sie übergoss gerade das Huhn als es läutete. Er stand vor der Tür, neben sich einen Standventilator. Das schwarze T-Shirt passte ihm gut und Julie überlegte, ob er sich für sie angezogen hatte, oder ob an diesem Freitagabend noch mit Freunden in irgendeine Disko wollte. "Hallo", sagte sie und da war wieder dieses selbstbewusste Grinsen. "Der Ventilator", erklärte er. Er wirkte anders als am Baugerüst vor ihrem Fenster: kleiner und frisch gewaschen. Sie roch ein Rasierwasser, als er die Wohnung betrat und wollte ihn trotzdem noch.
Er saß am Küchentisch und nagte am Hühnerbein. Irgendwie hungrig, gierig und doch ganz konzentriert. Er war zum Essen geblieben, er würde weiter bleiben. Als sie den Teller abräumen wollte, griff er nach ihrem Handgelenk. "Du, komm her", seine Stimme klang heiser. Er zog sie auf seinen Schoß. Der Kuss schmeckte nach Zitronenhuhn, nach hungrig, gierig und doch ganz konzentriert. Er drückte ihren Busen fest, fast schmerzhaft. Sie glitt auf den Küchenboden zwischen seine Beine. Er beobachtete sie. Sie streifte das T-Shirt hoch, auf der Suche nach dem Hosenknopf. Sie freute sich über die feine dunkle Linie aus Haaren, die von seinem Nabel aus den Weg weiter nach unten wies. Er beobachtete sie, sie betrachtete ihn und schloss die Augen, als sie ihn endlich in den Mund nahm. Özgür stöhnte leise. Glatte zarte, harte Haut, mit der ihre Lippen und ihre Zunge das Spiel aufnahmen. Plötzlich durchfuhr sie Schmerz. Bhumipol hatte seine Krallen in ihre Zehen versenkt. (Fortsetzung folgt)
599 mal erzählt
logo

Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

Du bist nicht angemeldet.

Im Bilde

shot_1356447569013

Soundtrack

Aktuelle Beiträge

Nach dem Text fürn Wolf...
Nach dem Text fürn Wolf musste ich schnell diesen nochmal...
viennacat - 14. Aug, 18:30
Danke für Worte die nur...
Danke für Worte die nur von Dir sein können ...
viennacat - 14. Aug, 18:27
Soooo schön und berührend....
Soooo schön und berührend. Danke!
testsiegerin - 14. Aug, 15:07
Pfiad di, Wolf
Bitte Nini, keine Lyrik. Das hast du mir geschrieben...
katiza - 14. Aug, 12:20
Eine Anfrage
Guten Tag, wir gratulieren dir herzlich! Du hast...
just4ikarus - 20. Jul, 15:31

Es war einmal…

Gezählt

Meine Kommentare

Alle Kraft für ihn!
Alle Kraft für ihn!
froggblog - 10. Sep, 11:46
.
.
datja - 18. Jul, 18:34
Lieber Yogi, ein bisschen...
Lieber Yogi, ein bisschen frivol der Geburtstagsgruß...und...
datja - 5. Jul, 14:19
Hauptsach: Österreich...
Hauptsach: Österreich ist geil! Herr Nömix....
noemix - 5. Jul, 14:14
...und dann sind wir...
...und dann sind wir Helden...danke, liebe Elfenhäuslerin...
katiza - 5. Jul, 14:09

Meins

Creative Commons License
Dieser Inhalt ist unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert.

Augenblicke

www.flickr.com
Dies ist ein Flickr Modul mit Elementen aus dem Album Ausatmen. Ihr eigenes Modul können Sie hier erstellen.

Suche

 

Status

Online seit 7080 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 14. Aug, 18:30

Credits

kostenloser Counter




...und wartet...
*.txt
An- und Verkündigungen
Augenblicke
Aus dem Schatzkästchen der Mock Turtle
Bilanz
Cinematograph
Der Salon der Turtle
Freitagsfrüchte
Fundstücke
Homestory
In Reaktion
Journal November 2010
La Chanson
Lebens-Wert
Logbuch
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren

kostenloser Counter

development