„O du Jungfer Königin, da du gangest“
Ach, natürlich habe ich Angst – und sie wächst jeden Tag. Mama wird immer weniger, die Krankheit zeichnet sie und sie weiß es. Der Tod zieht täglich ein wenig mehr bei uns ein. Hin und wieder stellt sie Fragen, ob sie was Falsches gegessen hat, will sie wissen, ob sie Schuld ist, etwas anders machen könnte, hätte können. Ich versuche die Fragen ehrlich zu beantworten. Ich recherchiere im Internet, die Antworten erschrecken mich selbst. Eine Zeitlang schien es, als spielte sie nur eine Rolle aus einer ihrer Nachmittagsserien, „Verbotene Liebe“ oder so. Manchmal scherzt sie, redet darüber, ob sich das Zähneputzen noch rentiert oder die teure Creme.

Es ist keine Serie, kein Drehbuch, kein Roman. Es ist das echte Leben und das echte Sterben. Fortsetzung folgt nicht.
Mama, ich weiß, dass ich es dir nicht immer leicht gemacht habe – schon meine Geburt hat eine große Narbe hinterlassen. Nie konnte ich dir geben, was ich dir nie geben konnte. Selbst jetzt nicht, wenn ich dir täglich die Heizung aufdrehe, darauf das Nachthemd wärme und die Wärmflasche – die Herzförmige, die ich dir einmal geschenkt habe mit „Ich liebe dich, ti amo, I love you, je t’aime – ins Bett lege und dir schöne Träume wünsche. So hast du mich ins Bett gebracht, in dem anderen Zimmer, meinem ehemaligen, das einzige verschlossene, dessen Schlüssel du gar vor mir versteckst. Das verletzt mich. Du verletzt mich. Aber es muss sein, du musst dir mich aus deinem Herzen schneiden, wenn du gehen willst, musst. Und doch genüge ich nicht, bin nicht die eine, große Liebe, um die du dich geprellt fühlst. Die ich habe und nicht nur die eine. Ich durfte, darf lieben, unbeschwerter als du.

Aber deine Last kann ich dir nicht abnehmen. Im Garten blüht der Kirschbaum trotz, unter dem schweren späten Schnee. Du liest Haikus: Abschied des Frühlings, Weiß leuchtet die Blüte Durch den Spalt im Zaun. BUDSON. Hast du das erlebt? Hast du ihn geliebt, den Schilehrer/Bauernsohn/Photographen? Mehr als meinen Vater? Hast du ihn geliebt, oder gar nicht, wie du andeutest? Den Schweizer mit der Monroe. Zu viel weiß ich und nichts. Ich frage ja auch nicht. Oder nicht direkt. Ich trau mich nicht.

Ich schleiche durchs Haus wie der Tod, manchmal knarren die Stufen. Ich denke an nachher und auch an das Erben. Dann schäm ich mich. Wie ich mich überhaupt viel schäme. Weil ich Gutes tue, wenn ich Gutes tue. Manchmal glaube ich das noch immer, dass es stimmt, dass ich mich nur verstelle, um mich gut zu fühlen. Das ist die alte Botschaft, die kommt von dir.

Da ist sie wieder, die kleine Mock Turtle, und windet sich aus den Schlaufen des Perserteppichs. Ja, man kann auf Teppichen fliegen, das weiß ich seit ich meine verletzte Kinderseele mit ihren Mustern verwoben habe. Ich habe auf diesen Teppichen gehen gelernt, Dostojewski gelesen und „Rosemaries Baby“ mit rettendem Blick auf die Muster gesehen. Ich habe Backgammon darauf gespielt und Frühlingserwachen in der Pubertät. Ich habe die Doors gehört und mit meiner Katze gerauft. Ich habe gevögelt auf diesem Teppich und Photoalben heimlich betrachtet. Ich habe unzählige hastig panisch entfernte Flecken erzeugt und verschwinden lassen. Mein Heimathafen in Rot-Schwarz-Weiß.

Es ist keine Serie, kein Drehbuch, kein Roman. Es ist das echte Leben und das echte Sterben. Fortsetzung folgt nicht.
Mama, ich weiß, dass ich es dir nicht immer leicht gemacht habe – schon meine Geburt hat eine große Narbe hinterlassen. Nie konnte ich dir geben, was ich dir nie geben konnte. Selbst jetzt nicht, wenn ich dir täglich die Heizung aufdrehe, darauf das Nachthemd wärme und die Wärmflasche – die Herzförmige, die ich dir einmal geschenkt habe mit „Ich liebe dich, ti amo, I love you, je t’aime – ins Bett lege und dir schöne Träume wünsche. So hast du mich ins Bett gebracht, in dem anderen Zimmer, meinem ehemaligen, das einzige verschlossene, dessen Schlüssel du gar vor mir versteckst. Das verletzt mich. Du verletzt mich. Aber es muss sein, du musst dir mich aus deinem Herzen schneiden, wenn du gehen willst, musst. Und doch genüge ich nicht, bin nicht die eine, große Liebe, um die du dich geprellt fühlst. Die ich habe und nicht nur die eine. Ich durfte, darf lieben, unbeschwerter als du.

Aber deine Last kann ich dir nicht abnehmen. Im Garten blüht der Kirschbaum trotz, unter dem schweren späten Schnee. Du liest Haikus: Abschied des Frühlings, Weiß leuchtet die Blüte Durch den Spalt im Zaun. BUDSON. Hast du das erlebt? Hast du ihn geliebt, den Schilehrer/Bauernsohn/Photographen? Mehr als meinen Vater? Hast du ihn geliebt, oder gar nicht, wie du andeutest? Den Schweizer mit der Monroe. Zu viel weiß ich und nichts. Ich frage ja auch nicht. Oder nicht direkt. Ich trau mich nicht.

Ich schleiche durchs Haus wie der Tod, manchmal knarren die Stufen. Ich denke an nachher und auch an das Erben. Dann schäm ich mich. Wie ich mich überhaupt viel schäme. Weil ich Gutes tue, wenn ich Gutes tue. Manchmal glaube ich das noch immer, dass es stimmt, dass ich mich nur verstelle, um mich gut zu fühlen. Das ist die alte Botschaft, die kommt von dir.

Da ist sie wieder, die kleine Mock Turtle, und windet sich aus den Schlaufen des Perserteppichs. Ja, man kann auf Teppichen fliegen, das weiß ich seit ich meine verletzte Kinderseele mit ihren Mustern verwoben habe. Ich habe auf diesen Teppichen gehen gelernt, Dostojewski gelesen und „Rosemaries Baby“ mit rettendem Blick auf die Muster gesehen. Ich habe Backgammon darauf gespielt und Frühlingserwachen in der Pubertät. Ich habe die Doors gehört und mit meiner Katze gerauft. Ich habe gevögelt auf diesem Teppich und Photoalben heimlich betrachtet. Ich habe unzählige hastig panisch entfernte Flecken erzeugt und verschwinden lassen. Mein Heimathafen in Rot-Schwarz-Weiß.
katiza - 26. Mär, 23:17
3 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
1276 mal erzählt
rosmarin - 27. Mär, 00:28
nein, die last kannst du ihr nicht abnehmen.
nur dir selbst liebevoll zulächeln.
du kannst ihre last mittragen und das ist sehr sehr viel.... (nach allem)
und du kannst ihre last lindern, mit deinem grundehrlichen und so liebevollem wesen.
deshalb kann dich nichts verbrennen, frl. phönix.
nur dir selbst liebevoll zulächeln.
du kannst ihre last mittragen und das ist sehr sehr viel.... (nach allem)
und du kannst ihre last lindern, mit deinem grundehrlichen und so liebevollem wesen.
deshalb kann dich nichts verbrennen, frl. phönix.
testsiegerin - 27. Mär, 18:49
sooo schön geschrieben, und sooo ehrlich.
danke dafür, dass du das mit uns teilst.
danke dafür, dass du das mit uns teilst.
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