8. November: Weltputzfrauentag
Privat bin ich froh, dass ich sie dienstlich kennenlernen durfte, diese gewaltigen Frauen, voller Liebe und Kraft, mit den weichen Formen und dem harten Leben, die Hedis, Poldis, Jasnas, Rosas, Hildes, Annis, Bognas oder Katharinas. Keine von ihnen hatte davon geträumt, Putzfrau zu werden, es macht nicht sonderlich Spaß, den Dreck anderer Leute wegzuräumen, ewig gleiche Abläufe in Büros vor oder nach den Bürozeiten, in öffentlichen Gebäuden, unsichtbar, rund um die Uhr, in Wohnungen und Häusern, oft misstrauisch beobachtet, seltsam mit dern Leben der BewohnerInnen verwoben, Zeuginnen intimer Geheimnisse.
Putzen ist ein gutes Geschäft, nationale und multinationale Konzerne verdienen sauber daran, bezahlt wird das Saubermachen nicht gerade gut, ganz zu schweigen vom Rest. Wer ist schon stolz darauf Putzfrau zu sein?
Unsere erste Bedienerin hieß Katharina, für mich Frau H.. Sie war eine hagere kleine Frau mit großem Herzen. Ich hab sie sehr geliebt und bin oft nicht von ihrer Seite gewichen. Sie hatte einen Sohn und eine Tochter, der Mann trank wohl. Einmal war ich in ihrem Häuschen nicht weit von uns. Es waren arme Leute - "arm aber sauber" - deswegen musste sie putzen gehen. Wir waren reich, wir konnten uns eine Bedienerin leisten, auch wenn meine Mutter immer vor- mit- und nachputzte, nie zufrieden. Irgendwann war Frau H. dann weg, lange habe ich geglaubt ich wäre schuld daran, weil ich so viel geredet hätte und ihr lästig geworden war. Später erklärte die Mutter, dass sie getrunken hätte, Frau H., heimlich im Keller, vielleicht hatte ich sie verraten, frage ich mich noch heute. Sie schenkte mir immer etwas zum Namenstag, lange Jahre.
Dann kam Frau K. mit den drei Söhnen; Eine bodenständige, grade Frau mit von schweren Brüsten gebeugtem Rücken. Mit dem jüngsten Sohn haben wir in der Küche ihres Reihenhauses an der Bundesstraße Hostienbruch genascht, ich weiß noch, wie ich mich voll wohliger Schauer rund um den Gekreuzigten geknabbert habe. In den mittleren Sohn war ich verknallt. Er ist später beim Drachenfliegen abgestürzt. Alle was geworden, die Kinder, sagt die Mutter oft, alle haben ein Haus gebaut. Frau K. putzt längst nicht mehr bei ihr. Jetzt ist es Maria aus Bosnien mit dem goldenen Zopf, dem fröhlichen Lachen und den tüchtigen Töchtern, die das Gymnasium besuchen. Hat sie auch, die in meinem Alter ist, aber dann kam der Krieg und jetzt putzt sie noch immer, wenn auch nicht genau genug und leistet der schwierigen Frau wenigstens von Zeit zu Zeit Gesellschaft, hört sich ihre Belehrungen an und bringt ein Lachen ins Haus.
Schon lange habe ich selbst eine Putzfrau. Weil ich es mir leisten kann und will. Eine Freundin, die mir aushilft, nennt man das in den Kreisen, in denen ich dienstlich bin, weil dort Schwarzarbeit verpönt ist. Aber anundfürsich spricht man nicht darüber. Eine Art Freundin ist sie mittlerweile, das wunderbare Wesen, das Ordnung in mein Leben bringt, mit dem ich mehr als einmal in der Küche geweint habe, das so viel weiß und versteht, auch und gerade mein Chaos. Und Schwarzarbeit ist es auch nicht mehr. Sie ist eine schöne Frau mit viel Seele und Verstand.
Und die anderen, die ich in den Seminaren kennen gelernt habe, Diplomingenieurinnen in alten Heimaten, ehemalige Kellnerinnen oder auch nur Ehefrauen, Volksschauspielerinnen und Squaretänzerinnen, Mütter, Großmütter, Geliebte, Geschiedene, Frauen, voller Geschichten, geheimnissen, Fähigkeiten. Lurchfeen voll Weisheit und S(Z)auberkraft.
Und sonst brachte dieser Montag die Geschäfte wieder ins Laufen, neue Aufgaben erreichten mich, arbeiten für die "gute Seite" und erscheinen schaffbar, meinem Ego wird auch Bühne geboten, ich spüre wie die Kraft zurück kehrt. Ich strecke den Rücken durch. Allein sein üben, sauber.

selbstverständlich war die "Lurchfee" nicht abwertend gemeint – meine Sympathie gilt halt derlei bildhaft-humoristischen ösitanischen Berufsbezeichnungen (wie etwa auch dem Pappenschlosser / Zahnarzt oder dem Pudelscherer / Herrenfriseur u.v.a.)
Ich habe größten Respekt vor allen Leuten, die sich ihr Geld mit harter ehrlicher Arbeit verdienen.
Zen steckt im Put-Zen ja schon drinnen, liebste Anousch, und da fällt mir ein, dass ich mich während meiner Naikan- und Jujukinkei-Wochen, obwohl Putzgegnerin und auf dem Ordnungsauge fehlsichtig bis blind, immer sehr auf Samu oder die Arbeitsmeditation gefreut habe - sicher kam das Unkrautausrupfen bis die Finger bluten meinem Naturell näher als das Staubsaugen und Spiegelputzen, aber in meditierender Demut habe ich auch das genossen.
Sie wollten sich nicht schämen, weil Sie putzen, Liebe, solange Sie nicht putzsüchtig sind.
Die Scham vor Dienstleister_inne_n ist mir aber geläufig: Eine Zeitlang pflegte ich extra für die allererste Putzfrau, Jausenbrote (auch ohne Schinken bei muslimischen Background) zu schmieren oder ganze kalte Buffets für Maler und andere Handwerker zuzubereiten, zumindest die Wohnung zu fliehen, wenn gute Geister nahten, weil ich nicht wusste, wie mich verhalten und auch heute noch husche ich schnell durch die Räume, indenen sie gerade zugange ist, die Küchengespräche können da aber ein wenig darüber hinweg täuschen (und das Alter, also meines, da muss ich mir irgendwie nicht mehr denken, so jung und hat schon eine Putzfrau, auch gut).
Aber jetzt leb ich ja - auch wenns nicht immer so aussieht - auf Mindeststandard, lass verstauben, was verstauben will und hab mir auch schon überlegt, mich für den Hausputz (samt Blätterzusammenkehren im Hof) anzutragen, ganz im Sinne einer Meditationshaltung (große Stiegenhäuser scheinen mir dafür geeignet zu sein); aber ich fürchte, der Hausbesitzer und auch Geliebte wird mir da nicht drauf einsteigen.
Mal ganz abgesehen von Ihrer wiederholt feinen Beobachtungs- und Wiedergabe-Gabe setzt es jetzt
allein schon für den Top-Scorer der Woche ("Put-Zen") einen Eintrag
Schön, dass es Sie gibt, Frau Mock Turtle.
Herr _rain, ich freu mich sehr, dass ich Eintrag in Ihre Blogroll bekommen habe - fast so sehr wie über meinen Lieblingseintrag ins Klassenbuch: "Mock Turtle zeichnet sich durch Dauerreden aus." Mann, war ich stolz da drin zu stehen; wie in Ihrer Blogroll war ich dort in bester Gesellschaft. Danke.
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