29
Dez
2010

Mama mia

Also, das ist mir jetzt doch überaus unangenehm, dass sich das hier zu einem Jaul- und Jammerblog entwickelt, andererseits wird all das wohl auch meinem Wappentier, der Mock Turtle, gerecht. Wenn ich es recht bedenke, verhält es sich mit Alice wie mit so vielem in meinem Leben. Das Wissen darüber scheint schon sehr lange da zu sein. Und langsam lösen sich die Rätsel.

Wie mit der Schneekönigin und jenem schrecklichen Spiegel des Kobolds – er war der Teufel – und seinen Splittern, die so viele in meiner Sippe getroffen haben - die herrlichsten Landschaften sahen wie gekochter Spinat darin aus – die so viel Schmerz, Hass und Einsamkeit säten - und die besten Menschen wurden widerlich oder standen auf dem Kopf ohne Rumpf – sickerndes Gift, scherzhaft gemeint, „du hast keinen Humor“, hässlich - Die Gesichter wurden so verdreht, dass sie nicht zu erkennen waren, und hatte man eine Sommersprosse, so konnte man überzeugt sein, dass sie sich über Nase und Mund ausbreitete. Meine Mutter hat mir Andersens Märchen geschent, ein wunderschönes Buch, groß mit Aquarellen. Und dann wollte ich den kleinen Jungen retten, doch der Splitter sitzt zu tief. Wie im Herz der Mutter.

"Ich aber liebte Narziß, weil ich, wie er an meinen Ufern lag und auf mich niederblickte, im Spiegel seiner Augen stets meine eigene Schönheit gespiegelt schaute" – ein Satz, den ich als Teenager stets bei mir trug. Gilt nicht nur für Mutter und Mann – vor ihnen bestehen sondern auch für das Schatzkästchen der Mock Turtle, das alles hier.

Danke, liebe Menschen für eure Gedanken und Worte und, ja, Liebe, das Netz. Ihr wart meine Rettung an diesem Tag. Ich wollte meinen Koffer am Flughafen deponieren und dann durch die Stadt streunen. War nicht. Wenn du jetzt gehst, siehst du mich nie wieder. Davor hat das kleine Mädchen Angst. Wo es doch helfen soll, will, muss. Ich hatte doch nie eine Freundin. Sie ist eine kranke Frau. Sie ist meine Mutter. Sie ist ein missbrauchtes Kind. Sie will nur gebraucht werden. Unstillbare Sehnsucht nach Liebe, die ihr auch das einzige Kind nicht geben konnte, niemand je. Und ich?

Sie war auch eien wunderbare Mutter. Sie ist mit mir in den Alpenzoo marschiert und hat viel mit mir gesprochen. Wie mit einer Freundin. Sie hat Tonnen von Büchern für mich nach Hause geschleppt und mich ernst genommen. Sie hat Pizza für meine Schulfreunde gebacken und Rumkugeln zu den Theaterpremieren. Sie hat meinen Schulweg mit mir auf Kassette aufgenommen und meine erste Wohnung mit mir eingerichtet. Meine Geburt hat eine Narbe hinterlassen. Mein Umzug nach Wien auch. Sie hätte wohl gerne Enkel gehabt. Sie ist die einzige Mutter die ich habe.

Satan hat sie nie vorher gesagt, böse schon oft. Woher das Wort plötzlich kmmt, weiß ich nicht, religiöser Wahn und Alkoholismus sind auszuschließen. Ich weiß, dass ich kein Satan bin, nicht einmal ein –sbraten, weil eben nicht prätentiös genug, mehr ein Teil von jener Kraft, die stetes das Gute will und stetes das Böse schafft, auch so ein Geldtaschenzitat der Jung-Turtle., Meine Kindheitsfreundin ist übrigens ihrer Meinung, Herr Steppenhund – und ich habe ähnliches schon am Morgen probiert, bevor ich Ihren Kommentar las. Wofür machst du mich verantwortlich? Was mache ich Böses in deinem Leben? Ich bin mir sicher, dass sie glaubt bestraft zu werden, bestraft werden will. Ich war eine schlechte Mutter. Und ich. ich, ich. Kindergesichter blicken mich an aus dem Gesicht der alten Frau. Ich sehe die Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins, die Kinder, die die Pakete weiter tragen. ich sehe längst verstorbene, während sie die alte Anklage erhebt. Die Splitter im System. Familientage. Winter.

Ich hab mich entschuldigt. Auf Knien, hab mir die alten Geschichten zur Rechtfertigung angehört und ihr Leben anerkannt, den Kopf in ihren Schoß gelegt und sie Mutter sein lassen. Der See war zugefroren, Fußspuren bewiesen, dass das Eis einene Menschen tragen konnte, allein. Der Mann hat mich am Flughafen abgeholt, keine sanfte Landung. Ankommst erst hier im Jaul- und Jammerblog. Danke, sehr.

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Im Reich der Schneekönigin

Satan nennt mich die Mutter und hysterisch, schrei nicht, sagt sie und ich spreche doch leise. Du wirst schon sehen, sagt sie, wenn du mich nicht mehr hast. Das sagt sie schon lange, seit ich ein Kind bin. Ich gehe in den Keller und dusche kalt, der Boiler ist ausgefallen, aber das macht wenig. Es ist kalt in meiner Hölle, war immer schon kühl in diesem Haus, auch und vor allem atmosphärisch. An das Märchen von der Schneekönigin muss ich denken, das die kleine Turtle so geliebt hat, und an den Spiegel und die Scherben und wann sie die Mutter getroffen haben.

„Satan“ nimmt sie nicht zurück. Ich rufe sie täglich an, besuche sie alle vier Wochen, schicke dazwischen Blumen. „Auf der Straße tust du nett“ sagt sie: „Doch du bist so böse.“ Ich weiß, dass ich kein Satan bin, ich weiß, dass sie alt ist und krank und bitter. Und doch wünscht sich das kleine Mädchen in mir nichts sehnlicher, als dass sie das Wort zurück nimmt, sagt, dass es ungerecht war, dass es ihr leid tut, dass ich nicht böse bin. Das tut sie nicht.

„Ich weiß genau, was du hast“, sagt sie: „Zu wenig zu Weihnachten bekommen.“ Ein paar Pulswärmer, von der lieben Nachbarin gestrickt, hat sie mir geschenkt und ein Buch von Ildiko von Kürthy „Endlich“ – solche Bücher kaufe ich nicht einmal am Flughafen als Lesestoff für lange Reisen oder im Urlaub. Lustig habe sie es gemeint und weil es so viel mit mir zu tun habe, mit meiner Situation. Aber deswegen weine ich nicht, ich wundere mich.

Die Tränen fließen und es zerreißt mein Herz, weil es Satan tönt in meinem Kopf. Es ist so ein großes, verletzendes Wort von der Mutter an die Tochter gerichtet. Und doch nehme ich ihren Arm und zahle das Essen beim Thai und spreche gemeinsam mit ihr mit der netten Äthiopierin am Christkindlmarkt und begleite sie zum Friseur und suche und kaufe die Creme, die ausgegangen ist. Ich will kein Satan sein.

Später bin ich in den kleinen Park, wo ich mich dem Vater so nahe fühle. Der See ist zugefroren, es schneit und ist kalt und doch um so viel wärmer als im nahen Elternhaus. Grüßt mich da ein Herz aus frisch gefallenem Schnee auf dem dünnen Eis?

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25
Dez
2010

Weihnachten halt..

Ein fetter Frosch saß in meinem Hals, als ich gestern Morgen erwacht bin. „Scheiße“, quakte er und weckte Befürchtungen, dass dort unten im Keller die falschen Geschenke liegen, zu wenig, an den Wünschen vorbei, jemanden vergessen? Und dann beschwor er die Geister vergangener Weihnachten und das Gespenst der letzten Monate und mein Blick fiel auf eine Perle am Nachtkästchen, die für nie geweinte Tränen steht und meine Tränen begannen zu fließen. Der Mutterzorn tat sein Übriges. Aber ich möchte an Weihnachten glauben, an die ganze Fest-der-Liebe-Geschichte und so atmete ich aus und wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser und besorgte noch die eine oder andere Kleinigkeit und schnürte Päckchen. Unser Christbaum steht am Grab meines Vaters, hier im Haus steht schon lange keiner mehr. Nicht mehr seit ich geheiratet habe und begonnen habe, unser Weihnachten mit unserem Baum zu feiern.

Und Heiligabend dann Kinderglück und Weihnachtsfest, italienischer Salat und Kekserln und Prinzessin Mäusezahn glaubt an das Christkind und an die Zauberkette, die Assistenzengerl Sternengestöber aus Bali geholt hat und deren drei Steine immer dann helfen, wenn sie Hilfe braucht und niemand darf die Steine berühren, nur sie. Und Mimi schwingt mit, als Nina Simone leise im Hintergrund singt. Und alles scheint gut. Nur wenn man genau hinschaut, sieht man so viel alten Zorn, Angst und Schmerz in den Augen der Großen, auch in meinen wohl. Ich telefoniere mit dem Mann, der den Abend allein verbrachte. Wieder fühle ich mich auch allein, habe den Eindruck, dass weder Mutter noch Mann mich sehen, verstehen, hören, kennen, dass ich ihnen fremd bin, bleibe. Und ich drücke das kleine schwarze Mädchen, das so viel eher hier her zu gehören scheint als ich.

Ich lebe so laut, wie meine Stimme klingt, zu laut beklagt die Mutter hier in diesem Haus, in dem Fußböden und Treppen mehr Geräusche machen als sie und ich – und außer uns kommt kaum jemand über die Schwelle. Das war schon immer so, ich brauch kein Mikrofon, keinen Verstärker, meine Gefühle sieht man mir an, ich weine auch in der U-Bahn, wenn das Leben weh tut, ich schreie ohne Rücksicht auf die Nachbarn, ich kann einen Raum mit meinem Lachen füllen (und leeren), meine Gesten sind so üppig wie meine Worte und seit Jahren singe ich mein Klagelied hier in Blogistan. Geheimnisvoll wäre anders. Und nehmen mich auch die, die mir am nächsten stehen nicht wahr, so habe ich doch hier Heimat. Und dafür bedanke ich mich - Weihnachten halt, die Zeit um schonungslos auszupacken....

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20
Dez
2010

Spurensuche

Im reinen Schnee
scheinen die Spuren besonders deutlich.
Jenen, die sie zu lesen verstehen,
erzählen sie,
was geschehen sein
mag.

Erst, wenn es wieder warm wird
und taut,
wird sichtbar,
was unter die weiße Decke
zu dringen
vermochte.


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Auf die Spur gebracht von ConAlma und Testsiegerin.
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Eine von euch

Und dann war der 17. Dezember, jahrelang mein Weihnachten. Und ich habe doch einen Baum gekauft, ganz allein und ihn nach Hause getragen. Ich habe gelacht und getrunken wie sonst in diesen Nächten, war sentimental und witzig, hab noch Geschenke besorgt im erlaubten Rahmen – 50 Schilling, weil ja Weihnachten ist am 17.Dezember.

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Abends stapfe ich durch den Schnee, verirre mich und komm dann doch ganz schnell am richtigen Platz an. Ein Knoten im Netz wird sichtbar, gibt Halt, auch eine lang vertraute Fremde, Begleiterin in der Welt der Worte wie die Bassistin mit dem schönen Lachen, auch schön und lachend. Und ich fühlte mich so geborgen in einer Frauenwelt, die irgendwie neu für mich ist. Ich habe mich stets eher an Männern orientiert, war schon in der Schule lieber mit den Buben unterwegs, keine Mädchenrunde, keine Frauenurlaube, keine Einkaufsbummel, keine langen Telefonate, keine Gespräche über Verhütung, Zahnärzte und Liebhaber. Freundinnen wohl, einzeln. Und Männer, die Männer lieben, als Seelengefährten. Ich fühle mich Männern gegenüber sicherer, weiß nicht wirklich wie mit Frauen umgehen, habe ein bisschen Angst, das Falsche zu tun, zu sagen. Fremd schien sie mir die Welt der Frauen. Männer sind so viel einfacher. Frauen sind vielschichtiger und voller Kraft, sind schön und wild und wunderbar, Neuland statt heulend. Und das ist gut so. Das wird mir immer wieder klar in den letzten Monaten und Jahren. Und langsam fühle ich mich wie eine von euch. Auch zu Weihnachten am 17. Dezember.

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Erst am nächsten Tag habe ich den Christbaum aufgeputzt, wunderschön glänzt er da im Eck, ein Denkmal verlorener Weihnachten und nachts bin ich tanzen gegangen – Soul, Funk, Brasil, lachen und flirten gegen den Blues…


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17
Dez
2010

Einer von uns

Als Herr Doppel T ein kleiner Junge war, packte er, wenn seine Mutter ihn verärgert hatte, sein kleines Köfferchen – grau kariert mit orangen Ecken und einem Schloß. Eine Hose gab er hinein, ein Hemd zwei Unterhosen und seine Zahnbürste, erzählt er an jenem Freitag im Wohnzimmer des Erstgeborenen, wo immer Freitagnachmittag ist. Dann nahm er seine Schwester bei der Hand. „Wir wandern nach Amerika aus“, sagte er zur Mutter, die am Herd das Mittagessen bereitete im Vorbeigehen. „Aber nicht beim Gartentor raus“, antwortete sie. Das war aber gar nicht notwendig, denn Amerika lag dort draußen, hinten im Garten, kleine Häuser hatte er gebaut mit Gräsern gegen den Regen geschützt, damals in Amerika.

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Ich schnurr am gelben Sofa wie eine richtige Katze. Das „Brrrrrrr“, ist wohlig in der Kehle und umfasst meinen ganzen Körper, ich kraule mich und bin ganz Felida bei den beiden Katzenfreunden. Nina Simone singt. Der Erstgeborene hat mir eine Schallplatte besorgt für Mimi. „Black Gold“ soll den Anfang einer Sammlung sein, große schwarze Sängerinnen für mein kleines schwarzes Mädchen. Jedes Jahr eine zu Weihnachten bis sie eine junge Frau ist.

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Wir reden von Schneemännern und Christbäumen und längst vergangenen Zeiten. „Du bist einer von uns“, sagt Herr Doppel T irgendwann und lässt uns schnäbeln, den Erstgeborenen und mich. Er sagt es noch ein paar Mal an diesem Abend und jedesmal durchströmt mich Glück, weil ich weiß, dass es wahr ist, dass ich dort hingehöre in dieses Wohnzimmer auf dieses Sofa mit meinem selbst gebackenen Brot und meinem Salat. Mit unserer Musik und unseren Geschichten.

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Der Erstgeborene erzählt von einem Hund in Süditalien, einem Streuner, sein Herrchen verstorben, der zu jeder Demonstration komme und die Carabinieri verbelle – ein Che Guevara unter den Hunden. Und vom Internet reden wir, ich erzähle von euch und meinem Leben hier mit Netz und doppeltem Boden, wo ich diese Freitagnachmittage mit-teile. Und ich tanze und sie machen mir Komplimente und doch bin ich „Einer von uns.“

„Das Leben ist ein Auf und Ab“, erklärt Herr Doppel T ganz weise: „Wenn du es entkorkst weißt du nie, ob es ein wunderbarer Rotwein ist oder Essig.“ Herr Ober, mein Leben korkt. Wir trinken Fabelhaft und Schilchersekt im Wohnzimmer. Und wenn uns wer ärgert, können wir immer noch nach Amerika auswandern.

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16
Dez
2010

Im Winterwunderland des Lächelns

Es wirbelt Schneegestöber, als ich abends in meine Moderationsbuchhandlung eile. Die Autos stehen und die wenigen Menschen auf der Straße sind dick vermummt. Aus den Auslagen lacht Marx und dringt warmes Licht. Drinnen sind die ersten Gutmenschen versammelt. Es ist unsere letzte WierettenwirdieWeltangesichtsderKrise-Diskussion in diesem Jahr und ich freue mich auf die ebenso kompetenten wie engagierten Menschen, die an diesem Tag am Podium und im Publikum sitzen werden.

Die Frontfrau der Armutskonferenz kommt auch aus der Bergheimat, ihr Mitretter ist so bubenhaft in seinem Engagement; ein amüsanter Nachhaltigkeitsforscher weiß wie wir die Welt mit Ironie und Großzügigkeit retten, der bekannte Wirtschaftsforscher setzt auf Hölderlin (wie Herr Schneck zur Ehre der Freundinnen) - "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch." - und Keynes, der bi war, wie er betont; und dann ist da noch die hübsche junge Frau, intelligent, studierte Ökonomin, die sich von einem prekären Arbeitsverhältniss zum anderen hantelt, schlecht bezahlt für die gute Sache und jetzt im Amt und fast beschämt darüber, Freundschaft auf den ersten Blick.

Im Publikum vertraute Gesichter, es sind meist dieselben, die an lauen Sommerabenden genauso kommen wie in dieser eisigen Adventnacht, die mitreden, achtsam sind, wenn am Podium von Krise und Armut wie vom Schicksal gesprochen wird, wenn wir die Verursacher außer Acht lassen. Gutmenschen nennt man sie gerne und meint es meist abfällig, Alt-68-erInnen sind dabei, Uni-AktivistInnen, FacebookfreundInnen und das junge Team der Veranstalter, das die Abende in Bild und Ton festhält. Und draußen schneits und schneits und schneits und drinnen spüre ich Hoffnung. Die guten Kräfte sammeln sich, will, muss, kann ich glauben.

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Und am nächsten Tag dann noch mehr.Schnee und ich wieder unterwegs. Ich mag die dicken Flocken, die eine weiße Decke über Hektik und Weihnachtsstreß legen, dämpfende Daunen, für die keine Gänse leiden mussten. Und die Füße sind kalt und nass und ich muss auf den Weg achten, kann gar nicht sausen wie sonst, sondern muss vor den Auslagen verweilen und Geschenke ausspähen. Und die Menschen, gute eingepackt mit Mützen und Schals, mit Einkaufstaschen bepackt, lächeln. Die Hausbesorgerin, die am Gehsteig Schnee räumt, freut sich über mein Danke. Das Frauele, dessen im Schnee tollenden Pudel ich angrinse, erzählt mir vom Tierarztbesuch, eine Fremde, schönen Tag wünsch ich den beiden. Irgendwo im Hinterkopf habe ich Weihnachtslieder und es ist plötzlich gar nicht so schlimm sondern einfach nur wahr. Einen Baum werde ich kaufen, morgen. Einstweilen tröstet mich die Amaryllis.

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12
Dez
2010

Neffengeburtstag

Es ist wie immer, nur dass es diesmal keine Kinderolympiade geben wird, ich habe auch keinen Salat gemacht; der Mann hat gesagt, es sei nicht nötig, kein Schokobrunnen. Wir kaufen beim hinaus fahren im Spielzeugsupermarkt gemeinsam das Geschenk, ein schreckliches Robotermonster, das der kleine Prinz sich gewünscht hat. Ich habe mich zurück genommen. Nur dabei sein, will ich, soll ich, darf ich. Wir sitzen nebeneinander im Auto wie immer, singen die Soulklassiker mit, sind pünktlicher als sonst, bemerkt der Mann, das war auch eines unserer Probleme.

Dass du auch da bist, freut sich der Schwager, auch die Sister freut sich wohl, es fühlt sich seltsam an. Niemand spricht mich darauf an, wir reden über alles Mögliche, ich umarme Schwiegermutter Schwiegervater, die Familie des Schwagers, weiß nicht, wer es weiß, weil es wie immer ist. Nur die 95jährige Omi fragt mich, ob ich bei „unserem Geburtstag“ im Jänner dabei sein werde. Wohl nicht, sage ich, erkläre ihr, dass wir uns trennen, während rundherum alles wie immer ist. Der Gewürzkoffer steht in der Küche, der größere der beiden Prinzen kocht, die Saat ist aufgegangen, wie viel ich davon noch erleben werde, weiß ich nicht, auch nicht wie weit es gelingen wird, am Leben der Neffen weiter teil zu haben.

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Wir gehen freundlich miteinander um und ich bin froh, dass wir ohne Dramen auskommen. Leidenschaftslos wie die letzten Jahre, alles wie immer. Es ist gut so, nur manchmal seufzt die Turtle, weil sie sich vielleicht ein wenig Drama gewünscht hätte, Tränen, Schrein, Reue, Schmerz, Kummer, was weiß ich. Irgendein Zeichen dafür, dass da einmal Leidenschaft war und Liebe, irgendein Gegengewicht zu meinen Tränen, dem langen verzweifelten Ringen hin zu diesem Schritt. Weniger Gelassenheit. Doch wahrscheinlich ist es gut so, wie es ist; wie auch immer…

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693 mal erzählt

10
Dez
2010

Ästhetik des Alltäglichen

Stark und pulsierend spüre ich das Leben in mir, wie eine stetig schwingende Energiesäule, wie heißes Magma in einem Vulkan.

Mit raschen Schritten sause ich von Termin zu Termin; im Fluss. Und das Leben belohnt mich, Bei der Kampfkunst kämpfe ich vor allem gegen alte Ängste der kleinen Turtle, ungeschickt zu sein, a Patschgogl, wie man bei uns daheim zu ungelenken Kindern sagt, und die Turtle war ein solches, Angst, nicht gewählt zu werden, wie einst beim Völkerball, die ehrgeizigen jungen Trainingspartnerinnen zu nerven. Doch ich besiege die Angst, sehe, spüre sie auch bei anderen und gehe aus jeder Trainingseinheit sicherer hervor.

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Diesmal in Richtung eines „unbefleckten“ Zusammensitzens mit jungen Menschen. Die Gastgeberin, das Schildkrötenmädchen, könnte vom Alter her meine Tochter sein, doch sie nimmt mich auf als Freundin, auch da unterstützen die neuen Medien, wir nähern uns über diese Netzwerke, kuscheln verbal und mit Tubes, weniger im wirklichen Leben, wenn wir zusammenarbeiten. Mit den anderen Anwesenden verhält es sich ganz ähnlich. Die Buben fotografieren und filmen mit Kameras und Handys, meine „geschätzten Augen“ sind auch dabei. Wie damals denke ich mir, als im Freundeskreis Autofahrten, Feste und Bandproben gedreht wurden, Kilometer von Film, kamerafahrten aus der Hundperspektive, selten geschnitten und aufbereitet. Die Geschichten wiederholen sich, atmosphärisch verwandt, aber irgendwie sauberer, weniger Rausch als damals. Die Bilder landen heute auf Facebook, damals in Kisten. „Wer behält die Fotos? Unser Leben in Bildern“, twittert mir durch den Kopf.

Irgendwann erzähle ich betrunken von damals, der Liebe in Zeiten des Anrufbeantworters, der Liebe in Zeiten des Vierteltelefons, als es noch überall Telefonzellen gab, zum Schmusen drinnen und ich stundenlang Patiencen legte, wartend auf Anrufe, die nie kamen oder nur dann, wenn niemand zu Hause war; wohl. Mixtapes sind ihnen noch geläufig, sie haben sich im FM4-Chat kennen gelernt. Das Frettchen kommt mir in den Sinn. Eine Mix–CD haben sie schon lange nicht, wohl noch nie gemacht. Ich auch nicht, dabei wäre es so einfach – tätige Liebe. Der Erstgeborene macht es, ganz wunderbar und ein Anderer auch. Ich erzähle Geschichten von früher und merke wie alt ich bin, wie lang früher her ist mit Uhers und Nagras und Tonbandmaschinen. Eine fragt mich nach meinem Alter. Und dann versichern mir die jungen Menschen, dass sie das kaum glauben können. Ich bin mir nicht peinlich, stelle ich erleichtert fest, auch wenn die Turtle in mir manchmal zaghaft winselt; gehöre nicht dazu und bin doch nicht so fremd. Spät verlasse ich das kleine Fest, trunken vor Dankbarkeit , die ich mitgebracht hatte, Kalauer im Kopf.

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Einer, nah in der Ferne, hat mir eine Mix-CD gemacht für die schwierigen Tage in diesen Zeiten und sie dreht sich in der Küche während ich Kürbissenf bereite, als Weihnachtsgeschenk der Firma, die es bald nicht mehr geben wird. „Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei“singt Sven Regener und wir füllen die orange, duftende Masse in Gläser. „Wiegen die Worte für ihn?“ frage ich mich. Mich berühren sie. Dann gehe ich schlafen.

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Gestern mittags durfte das Zirkuspferd wieder in die Menge, den verdienten 90jährigen feiern. Glücklich tänzelte es in Lob und Anerkennung. Der alte Mann freute sich über meine Worte, ein schöner Mann, einst und heute und so mochte ich es, als er mir sanft die Wange küsste und die Hand drückte, gerührt, wir beide. Die Energiesäule treibt mich voran. Der abendliche Unterricht im Dienste der Bewegung soll noch vorbereitet werden. Ein paar in der Klasse waren nicht begeistert von mir bei meinem ersten Auftrag. Jetzt beim zweiten und letzten will ich das wieder wettmachen.Die kleine Turtle, die gemocht werden will, Angst und das Ringen um Liebe. Und irgendwie geht es. Am Nachhauseweg ist das Universum der Dinge vorbei doch eine Litfasssäule kündet von der Ästhetik des Alltäglichen.

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Nur manchmal macht mir die Energiesäule Angst,
erscheint mir der Fluß zu reißend,
das Magma übermächtig.
Dann atme ich aus.
Und hol mir keinen Kaffee mehr.
Sondern gehe hinaus in die kalte Winterluft,
spiele Leben,
Schritt für Schritt.
652 mal erzählt

5
Dez
2010

Blogger, Brahms und Bassgitarren

Ich bin dem Internetz so dankbar. Es schenkt mir wunderbare Begegnungen, Menschen, Musik.

Ich hab sie sofort erkannt, ein Blick in die Augen, ein Lächeln. Ich mag ihre Schreibe, ihren Humor, ihren Blick fürs Absurde. Ich schau immer wieder mal bei ihr rein, im Vorfeld habe ich natürlich nach gelesen. Bei den 100 Fragen geschmunzelt, da oder dort Parallelen – wir sind ein Jahrgang. Wir hätten uns auch im wirklichen Leben treffen können, stellen wir schnell fest. Die Wienbesucherin hat uns zusammen gebracht, auch sie werde ich an diesem Nachmittag erstmals sehen. Der Steppenhund kocht auf - ein Linner.

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Nach und nach sehe ich immer öfter in die Augen jener, die mich, uns in ihre Herzen und Köpfe schauen lassen. Ich genieße diese Neu- und Vertrautheit. Lange habe ich es vermieden die Welten zu vermischen, wie mein Lieblingsmedium Radio lässt das Netz Platz für Phantasie. Aber mehr und mehr Nähe entwickelt sich zu den Menschen hinter den Blogs, gerade in den letzten Tagen und Monaten entwickelten sie sich zu einem Netzwerk aus Herzlichkeit, Humor, Trost und Rat.

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Das Fräulein kannte ich ja schon Bildern, ihr Frauerl und deren Mann strahlen so viel freundliche Herzlichkeit aus. Die Stimme der Wienbesucherin klingt, wie sich ihr Blog liest. Meertau, würzig, Hirn- und Herzerfrischend. Das Mahl ist fulminant, unsere Gläser sind mit Cremant und Wein gefüllt, wir lachen viel. Und schließlich setzt sich der Gastgeber an seinen Bösendorfer und spielt Mozart und Brahms für uns, in dem Zimmer, in dem so viele Details von der Geschichte einer Familie erzählen. Wir lauschen schweigend der Musik und reden erst nachher fröhlich weiter. So viel Vertrautheit, so viel zu sagen, so wenig Zeit. Draußen liegt Schnee.

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Und dann tanzen zwei enthemmte Bloggerinnen beim 50er des Silbernen wie wilde Teenager. Und der Silberne ist glücklich, in Sri Lanka bekommen sie Geld und er, der das Land einst mit uns entdeckt hat, hat obendrein einen wunderschönen Bass bekommen und Liebe und Musik und Respekt - aus voller Kehle. Ich mag ihn so, den Musiker und Journalisten aufgewachsen in der Hausmeisterwohnung in der Hofburg. Er ist auch mein Wien. So viele vertraute Gesichter aus so vielen Lebenszeiten. Ein schönes Fest. Der Mann ist auch da, gemeinsam gehen wir nach Hause.

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986 mal erzählt
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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