25
Sep
2006

Und was noch geschah

Bei der fröhlichsten meiner Cousinen wurde vor einigen Wochen Brustkrebs diagnostiziert – weit fortgeschritten und sehr aggressiv. Sie, die Kindergärtnerin, die immer von eigenen Kindern geträumt hat und jetzt endlich einen Partner hatte, mit dem sie diesen Traum umsetzen wollte, muss wohl umdenken. Vor der Operation ist die Familie noch einmal gemeinsam auf den Berg gegangen eine Vorbereitung auf den Berg, den sie gerade gemeinsam bewältigen. Aus dem fernen Wien, habe ich versucht, Trost zu sprechen und Rat zu geben – selbst hilflos.

Letzte Woche bin ich dann zur Frauenärztin gegangen – das erste Mal seit fünf Jahren, voll schlechten Gewissens, weil ich – die bewusste Frau – das eigentlich einmal im Jahr tun sollte. Die Frauenärztin hat dann prompt etwas in der Brust ertastet – "Werden Sie nicht panisch, es fühlt sich wie eine Cyste an." Sie hat mir für Freitag einen Mammographietermin beschafft und so musste ich mich nur eine Nacht lang fürchten.

So oft hatte ich in letzter Zeit gesagt und gedacht: "Und wenn ich morgen sterben würde, hätte ich bis heute ein wunderbares Leben gehabt…"Und plötzlich hatte dieser Satz eine ganz andere Dimension. Schon allein deswegen, weil ich ja – würden meine Ängste wahr werden – nicht morgen sterben müsste, sondern wohl überleben würde. Aber vielleicht meinen Busen, auf den ich so stolz bin, verlieren würde. Den Busen habe ich von meiner Mutter geerbt, ihrer ist, auch wenn sie schon 76 ist noch immer so schön und stramm. Meiner war mir lange zu klein, jetzt hat er genau die richtige Größe. Ich dachte an das Telefonat mit meiner Cousine, an das, was sie von der Chemo erzählte. An die vielen Begegnungen mit Frauen, die Brustkrebs hatten, an unzählige Artikel und meine Internetrecherchen. Als ich zur Mammographie ging, war ich gefasst, bereit zu nehmen was kommt, als Weg und Aufgabe.
"Es sind zwei Cysten", erklärte mir die Radiologin und lächelte: "Nichts schlimmes, schönes Wochenende." Und weil der Liebste keine Zeit hatte und auch der Erstgeborene verschollen war , habe ich mit mir, köstlichen Sushi und später einem Schilcher-Sturm ein wenig gefeiert.

Am Samstag dann Tag der offenen Türe im Naikido-Zentrum. Die Osho hatte mich gebeten, da zu sein und über Naikan Auskunft zu geben. Gerne habe ich zugesagt und noch lieber habe ich nach dem Geschehen der letzten Tage dieses Versprechen gehalten, denn es waren unter anderem die Naikan und Zen-Erfahrungen, die mir letztendlich Angst nahmen und Frieden schenkten.

Die Worte der Osho waren sehr schön und kamen gut an – und wurden dann noch um sehr persönliche Erfahrungen der Anwesenden Naikan-Geübten ergänzt. Tiefen Eindruck hinterließ auch ein Talmud Gedicht, mit dem die Osho ihren Vortrag beschloss:

Achte auf deine Gedanken,
denn sie werden Worte.

Achte auf deine Worte,
denn sie werden Handlungen.

Achte auf deine Handlungen,
denn sie werden Gewohnheiten.

Achte auf deine Gewohnheiten,
denn sie werden dein Charakter.

Achte auf deinen Charakter,
denn er wird dein Schicksal.
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Ein Zettel...

... an der 5er Haltestelle Kaiserstraße: Jemanden sucht jemanden, den er/sie offensichtlich im letzten 5er vor 12 am Mittwoch, den 6.9. am Weg ins Fluc gesehen hat -
Öffnet eure Augen Öffnet eure Ohren Öffnet eure Münder - es zahlt sich aus, steht da ...und in meinem Kopf passiert wieder einmal großes Kino.
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4
Sep
2006

Im Profil gefunden:

Georg Christoph Lichtenberg: "Die Metapher ist weit klüger als ihr Verfasser und so sind es viele Dinge."
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30
Aug
2006

Heirathen! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken.

"Ich werde niemals heiraten", versicherte die Mock Turtel trotzig in dem kleinen Park in Paris.Ihre Freunde nahmen sie in den Arm. Alle weinten und es regnete. "Il pleut sur la ville comme il pleut dans mon coeur", zitierte sie Verlaine – wahrscheinlich laut, wie immer in diesen Tagen. Es war in den frühen 80ern. Mit dem Nachtzug waren sie nach Paris gefahren, die Schulfreundin, Bürgertochter wie die Mock Turtle selbst, ihr Freund, der Jusstudent aus der altösterreichischen Künstlerfamilie und die Turtle, mitgenommen als eine Art Gouvernante. Es waren die wilden Jahre der Mock Turtle und eben erst hatte sie am Grab von Jim Morrison das erste Mal an einem Joint gezogen. Seit drei Tagen waren sie also in Paris, fasziniert beobachtete die Turtle die Paarsamkeit der beiden. Sie wusste, dass sie viele Liebhaber haben wird, aber sie glaubte, dass ihr diese Art von Liebe verwehrt bleiben würde. Sie war unglücklich verliebt und Begierde Sex und Liebe mischten sich in Kopf und Bauch. Die beiden waren so sauber.
"Was wäre, wenn wir einfach hier in Paris heiraten würden?"
"Du hättest Erklärungsbedarf."

Ich, der Anstandswauwau, der mit dem Jusstudenten noch nachts in Bistros Pastis trank, wenn sie schon schlief. So sauber die beiden. So dreckig ich und mein Chaos.

The days are bright and filled with pain
Enclose me in your gentle rain
The time you ran was too insane
We'll meet again, we'll meet again

Oh tell me where your freedom lies
The streets are fields that never die
Deliver me from reasons why
Youd rather cry, Id rather fly

The crystal ship is being filled
A thousand girls, a thousand thrills
A million ways to spend your time
When we get back, I'll drop a line.


Heute vor zehn Jahren war der offizielle Teil meiner Hochzeit schon vorüber. Ich war seine Frau. Ich bin seine Frau. Ich habe eben meine alten Tagebücher gesucht aus dieser Zeit und sie nicht gefunden. Also reise ich in Gedanken, Bildern und Worten zurück. Das erste, was ich sehe, sind all die strahlenden Gesichter. Ich gehe durch den Garten und umarme die Menschen aus, seiner, meiner, unserer (Wahl-)Familie. Im Hintergrund die Volksmusikgruppe, die mein Schwiegervater als Überraschung engagiert hat mit dem Geiger, der immer schon auf Teufel komm raus mit mir geflirtet hat. Braustrauß werfen und Strumpfband. Sekt und Gras im Wald. Die Doppelconference der Väter und eine Hochzeit mit Soul-DJ. Meine beiden Kollegen und die Backgroundsängerinnen der bayrischen Band.
"This ist a perfect day, I'm glad I spent it with you."
Der Cousin, den ich hätte zum Trauzeugen machen wollen und der in dieser Nacht seine Liebe verlor. Die Cousine, die heute Brustkrebs hat und damals, wie so oft sehr oft bezaubernd lachte. Meine Mutter, glücklich, glänzend, klatschend, weinend. Der Vater, groß und gerührt. Die Sister, fern wie stets. Die Schwiegermutter gurrend, der Schwiegervater brummend. WegbegleiterInnen. FreundInnen.
Und er. "Ja, ich will Geliebter, Brudertier, Gefährte, Freund, Spielkamerad, Lover, Drug-Buddy, Heiler, Helfer, Mann, Gatte." Und ein Feuerwerk und Musik und Tanz und Glückseligkeit. Später im Orient – tausend und eine Nacht. Tausende Nächte mittlerweile.
"Heirathen! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken", seufzt die Mock Turtle. Ich hab Durst.
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28
Aug
2006

Hochzeitsglocken

"Ich lege jetzt doch bei ihrer Hochzeit auf", sagt der, den ich neckisch den Erstgeborenen nenne, am Telefon: Ich ärgere mich – am meisten darüber, dass ich mich ärgere. Etwa sechs Wochen ist es her, dass mir der Erstgeborene an einem unserer Nachmittage erzählt hat, sie hätte versucht ihn als DJ für ihre Hochzeit zu buchen. Ihre Hochzeit, die zehn Jahre und einen Tag nach unserer stattfinden soll. Dass sie heiratet, hatte ich schon gehört. Eingeladen sind wir nicht. Eigentlich egal. 'Wir sind keine Freundinnen, waren es vielleicht nie', wischte ich damals – wie auch jetzt – meine 13. Fee-Gedanken weg. 'Aber eine Zeitlang habt ihr regelmäßig miteinander gefrühstückt, Sorgen betratscht, Gedanken ausgetauscht, flüstert die Mock Turtle: 'Sie war bei unserer Hochzeit und jedes Jahr bis auf letztes auf unserer Weihnachtsfeier. Sie ruft immer wieder an, wenn sie was braucht.' 'Aber hab nicht ich ihr immer meinen Rat und mich aufgedrängt' entgegne ich.
"Soll ich das machen?" wollte der Erstgeborene wissen. "Aber natürlich – warum nicht, wenn sie ordentlich zahlt…"
"Aber ich habe auf DEINER Hochzeit aufgelegt…"
"Und das war wunderbar."
Später beim Abschied murmle ich berauscht in seinen Hals: "Leg vielleicht doch nicht bei ihr auf…"
"Ich habe so gehofft, dass du das sagen wirst."
Vielleicht nenne ich ihn deswegen: der Erstgeborene.
'Er hat sich also breit klopfen lassen', seufzt die Mock Turtle. 'Und es ist absolut OK so', versichere ich: 'Ich wünsch ihr, dass er ihr genauso viel Glück bringt wie mir – nächsten Mittwoch zehn Jahre lang. Ich wünsche ihr eine wunderbare Hochzeit und eine glückliche Ehe.' Die Mock Turtle lacht ihr dreckigstes Lachen.
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12
Aug
2006

Aui muass i

In die Berge soll es gehen, Klettern im Hochseilgarten mit einem alten Freund. Ein Geschenk seiner jungen Freundin. Einmal schon abgesagt, aus wettertechnischen Gründen – nicht aus Feigheit. Aber heute muss es sein. Da hilft kein vorsichtiger Anruf, auch kein Verweis auf die Weblifecam und Tageshöchstwerte von 16 Grad. Da müssen wir durch, oder besser gesagt rauf oder noch besser gesagt zuerst runter. 300 km. Draußen regnet es. Kuscheln wäre heute fein. Oder gemeinsam kochen, habe ich dem Liebsten vorgeschlagen, aber die Initiatorin hat gesagt, noch mal stornieren ginge nicht. Also müssen wir – ihm zuliebe und weil wir nicht feig sein wollen, nicht einmal faul.

Wir räumen das Schigewand her und suchen Expeditionskleidung heraus. Superpraktische Anoraks mit herausnehmbaren Innenfutter und Luftzirkulationsreisverschlüssen. Sollten wir ins Schwitzen kommen, dort oben in den Seilen, auf den wackelnden Plattformen von denen die Initiatorin beim gemeinsamen Ersatzabendessen nach der letzten Absage so geschwärmt hat. Handschuhe, um die Seile zu greifen. T-Shirts, Ersatz-T-Shirts, mehr geteilte Hosen, Ersatzhosen. "Ich nehme auch eine Mütze mit", sagt der Liebste. Meine habe ich schon lange eingepackt.

Während des Duschens hoffe ich auf ein letztes Deja Vue. Bei der letzten Absage hatte genau zu diesem Zeitpunkt das Handy geläutete und uns von dem Abenteuer erlöst. Aber das Handy bleibt still. Eine tolle Gelegenheit mein neues Verhältnis zur Angst zu testen, betet mir die Mock Turtle vor. Ich weiß, wenn ich morgen nüchtern wäre, klar und rein, wenn ich zwischen den Seilen hänge. Wenn…

Nachtrag:
Es war eine tolle Gelgenheit, mein neues Verhältnis zur Angst zu testen - ich bin froh, dass ich es gewagt habe.
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11
Aug
2006

Anna und der Prinz

Anna war das, was man gemeinhin eine patente Frau nannte. Groß, kräftig, ein wenig zu füllig und praktisch in ihren Taten und Worten. In ihrem Beruf als Kamerafrau kamen ihr diese Eigenschaften zu Gute. Es war nicht einfach gewesen sich durchzusetzen und manchmal hatte sie den Verdacht, dass sie in dieser „Nach-wie-vor-Männerdomäne“ nur deswegen so akzeptiert wurde, weil sie eben nicht sonderlich weiblich war. Das war vielleicht auch der Grund, warum sie seit zwei Jahren und drei Monaten Single war. Zumindest erklärte ihre Freundin das immer so. Die hatte ihr auch eine Zeitlang eingeredet, sich die Haare wachsen zu lassen und war auch für den langen Rock und das Kleid in Annas Kasten maßgeblich mitverantwortlich. Es war nicht so, dass Anna keinen Sex hatte. Von Zeit zu Zeit schlief sie mit jemandem: einem Kollegen oder wie vor zwei Wochen mit Peter, ihrem Ex. Ihre Beziehung war damals nicht im Streit auseinander gegangen. Peter war dicklich und träge – irgendwann war sie es müde geworden, sein Leben für ihn aufzubereiten und hatte ihn verlassen. Losgeworden war sie ihn nie. Manchmal, wenn einer von ihnen Liebeskummer hatte, tranken sie miteinander und gingen miteinander ins Bett. Es war unaufregende Abende, die meist in ihrer Wohnung stattfanden und damit endeten, dass Peter bei Anna übernachten wollte und sie ihn raus warf. So plätscherte ihr Leben dahin.

Sie war sich bis heute nicht sicher, warum ihr der Prinz zugeteilt worden war. Sie vermutete eine Bosheit ihres Vorgesetzten, wusste aber nicht, ob diese gegen sie oder Ali gerichtet war. Ali war ihr neuer Kameraassistent. Als er ihr vorgestellt wurde, erschrak sie fast, so hübsch war er. Kleiner als sie, blond gelockt, dunkle Augen, ein eher feiner aber doch wohlproportionierter Körper – einfach hübsch. Er wirkte so sauber. Wie frisch gebadet, erzählte sie ihrer Freundin. Sie war von Anfang an fasziniert von ihm. Und doch verspürte sie vorerst keinerlei Begehren oder Geilheit, sie war nur angetan von seiner freundlichen, offenen Art und seiner angenehmen Erscheinung. Er machte seinen Job gut, hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Nach seinem zweiten Arbeitstag gingen sie miteinander was trinken. Es war ein angenehmer Abend. Sie tranken viel, blödelten und feierten den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Sie sprachen über Film, Bücher und Musik – und nichts, kein Wort über Beziehungen. Das fiel Anna erst zu Hause auf. Eigentlich auch nur deswegen, weil es doch selten vorkam, dass ein Mann mit ihr nicht sein unglückliches Liebesleben besprach. All ihre Kollegen benutzten sie als Beichtstuhl oder Seelenklosett – wie sie diese Funktion nannte, hing von ihrer Tagesverfassung ab. Auch ob sie diese Gespräche mochte oder nicht, hing davon ab. Die meiste Zeit sah sie sie als eine Art Zuneigung an und manchmal endeten sie mit Sex. Manchmal kam sie sich benutzt vor.

Und dann kam das Begehren – unvermutet und plötzlich auf der Rückfahrt von einem Dreh. Sie hatten hart gearbeitet – eine Bergtour mit Politikern. Karl, der Redakteur mit dem sie gedreht hatten, fuhr mit seinem eigenen Wagen, sie und Ali im Firmenbus. Sie saß am Steuer. Sie war ein wenig verärgert, Karl hatte blöde Witze gemacht. Er war ein arroganter selbstherrlicher Schnösel mit Machoallüren. „Ziemliches Arschloch, hm?“ Ali hatte seine Füße aufs Armaturenbrett gestützt und grinste sie von der Seite an. Eigentlich hätte den Dreh ein Kollege machen sollen, der war aber leider krank geworden. Umso größer die Freude als sie den von ihr schon lang gehassten Karl am Morgen traf. „Morgen Anus“, hatte er sie begrüßt und gleich sehr über sich gelacht. Als sie nicht reagierte, hatte er versucht Ali auf seine Seite zu ziehen – der ließ ihn aber abblitzen.
Sie starrte auf die Straße: „Ich arbeite mit dem nicht mehr!“ Ali legte die Hand auf ihren rechten Arm. Und da begann es. Plötzlich roch sie. Sie saugte seinen Geruch durch die Nase auf, merkte wie er sich auf ihren Schleimhäuten breit machte und sehr schnell ihr Gehirn erreichte. Es war Schweißgeruch aber ihr Gehirn sagte mehr, mehr, mehr und sandte den Reiz nach unten. Sie glaubte ihn zu schmecken, fühlte den Geruch in ihrem Bauch und pochend legte er sich schließlich über ihr Geschlecht. Sie umfasste das Lenkrad fester, ihre Knöchel wurden weiß. Ali hatte die Hand von ihrem Arm genommen und sah aus dem Fenster. Sie war Begierde.
Anna war nicht unbedingt ein olfaktorischer Mensch, ihre Nase hielt sie nur für bedingt nützlich. Noch nie hatte ein Geruch sie so verwirrt. Sie drehte den Radio lauter und starrte auf die Straße. Ali sagte irgendetwas zu ihr, aber sie konnte es nicht wirklich hören. Sie hätte ihn so gerne berührt. „Was hast du gesagt?“ Sie sah weiter gerade aus. “Soll ich dich ablösen beim fahren?“ Sie wusste keine Antwort. „He – ich kann Auto fahren. Bleib beim nächsten Parkplatz stehen. Ich fahre.“ Anna gehorchte. Nur im Augenwinkel nahm sie seine muskulösen, Schultern, die sehnigen Arme und seinen Oberkörper im verschwitzten Ruderleibchen wahr. Sie versuchte unbeteiligt zu lächeln.

Als sie das Auto abstellte, war sie fast erleichtert, dass Ali das Steuer übernehmen wollte. Sie war noch immer verwirrt, die letzten Kilometer hatte sie nicht bewusst erlebt. Vielleicht hing es ja mit der Hitze zusammen oder dem anstrengenden Dreh. Sie drehte den Zündschlüssel und legte den Kopf zurück. Ali sah sie an. Endlich erwiderte sie seinen Blick. Er lächelte ein sauberes Traummannlächeln. Als sie versuchten, Plätze zu tauschen, berührten sie sich. Sie roch sein Haar. Und dann – sie wusste nicht mehr wie – küssten sie sich. Vielleicht hatte auch sie ihn geküsst, vielleicht war die Initiative von ihm ausgegangen. Der Kuss dauerte lang. Erst als sie sich voneinander lösten, wurde Anna bewusst, dass sie sich beide in einer äußerst unbequemen Lage zwischen den beiden Vordersitzen des Van befanden. „Und jetzt?“, sie sah ihn unsicher an. Er legte seinen Finger auf ihren Mund. Gierig griff sie nach seiner Hand, ihre Lippen suchten seine Finger. Er legte den Beifahrersitz um.

Überall suchte sie seinen Geruch, an seinem Hals, in seinen herrlichen Achseln, in diesen haarigen Höhlen und in seiner Hose. Nur kurz spürte sie den Schaltknüppel und wurde sich ihrer eigenartigen Position am Boden des Autos bewusst. Seine Finger strichen zärtlich um ihr Ohr, kraulten ihr Haar. Und endlich hatte sie gefunden, was sie wollte. Sein Schwanz war schön. Sauber, rosig zart und er roch so gut. Schnell verschlang sie ihn, ließ ihn wieder zurück gleiten und leckte seine weiche, glatte Spitze. Ihre Gier wuchs noch immer. Sie wollte den ganzen herrlichen Duft aus ihm heraussaugen. Nur mehr Zärtlichkeit spürte sie und unendliche Sehnsucht. Ihre Hände lagen auf seinen kantigen Beckenknochen. Sie saugte leckte schlang. Ihre Lippen schienen ihr empfindlich wie sonst nur die anderen Lippen. Ganz weich. Und dann hoben sich seine Hüften ihr entgegen und sie fühlte die Spannung in seinem Körper und sie wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Sein Samen war heiß und scharf, er breitete sich in ihrem Mund aus. Sie schluckte.

Erst auf der Autobahn begann sie wieder zu denken. Sie hatte nicht das erste Mal geblasen, sie hatte wahrscheinlich das erste Mal einen Orgasmus dabei. Wenn es das war. „Danke“ sagte er. „Ebenfalls“ sagte sie. Er schaute auf die Strasse und lächelte sein Prinzenlächeln.
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10
Aug
2006

Karottenknacken

Gestern war bei Stern TV der Psychoakustiker Friedrich Bluntner und sprach über Sound-Design bei Nahrungsmitteln. "Das Ohr isst mit." Karottenknacken wurde eingespielt. Online gibt es ein nettes Quiz um Nahrungsmittelgeräusche zu erraten.
Ich habe dann ein wenig im Netz recherchiert: Der Mann befasst sich nicht nur mit dem klangoptimalen Design von Bierflaschen oder durch ihren knackigen Klang besonders schmackhaften Eiswaffeln, sondern auch mit den feinen Einschenkgeräuschunterschieden zwischen rotem und weißen Wein. In einem Artikel bei arte über ihn wird der Philosoph Lorenz Oken zitiert, der schrieb, dass das Auge den Menschen in die Welt führe, aber das Ohr die Welt in den Menschen. Ein Gedanke, der mir schon durch Joachim-Ernst Behrendt vertraut war, aber mir jetzt erst wirklich bewusst war.

Seit bald zwei Wochen bin ich von Bodingbach wieder hier. Eine Woche habe ich dort im Naikan-Haus in großer Stille verbracht. Zum dritten Mal schon eine Woche schweigen, kaum Interaktion mit den anderen, die so nah in den Kojen links, rechts und gegenüber sind. Eine Woche nachdenken über mein Leben, aus der Ferne Kuhgebimmel, einmal täglich die Dampfeisenbahn und nur selten ein Auto oder gar Stimmen.

Innenschau mit den drei Fragen:

• Was hat die Person (Mutter, Vater, Geschwister, PartnerIn) für mich getan?
• Was habe ich für sie getan?
• Wie habe ich ihr Schwierigkeiten bereitet?

Im Zeitraum 0 bis 6 Jahre, 6 bis 10, 10 bis 14, usw. bis in die Gegenwart. Alle eineinhalb Stunden spreche ich mit Helga Hartl, die uns begleitet.

Ordnung im Zimmer machen, hat es Josef letztes Jahr genannt: "Und wenn dein Zimmer einmal richtig aufgeräumt ist, wirst du immer wissen, wie es ist, wenn Ordnung ist."

Eine Woche nichts lesen, keine Musik. Wortlos essen – jedes Karottenknacken wirkt laut. Ohne Worte zusammen arbeiten - während der einen ersehnten Stunde Arbeitsmeditation täglich. Und dazwischen Zen sitzen, fünf, sechs Stunden im Dojo. Irgendwann fluten die Bilder. Das kleine Mädchen, das sich im Kreis gedreht hat, bis es hingefallen ist und sich dann am tanzenden Himmel erfreut hat. Der zynische Teenager, der Menschen benutzt hat um sich pathetisch selbst zu verletzen. Die ver-rückte junge Frau hinter der Bar, die fast im Alkohol ersoffen wäre.

Die liebende Mutter, die es tatsächlich gut gemeint hat und vielleicht nicht schlecht sondern nur voll getroffen hat. Der gütige Vater, der immer mein bestes wollte aber nie etwas gefordert hat. Der Liebste, der mein Leben in Ordnung hält und das Chaos immer zugelassen hat, das ich ihm ins Haus gebracht habe. Die Freundin, die immer selbstverständlich da war und nie gewürdigt war, weil ich Schmetterlingen hinterher jagte. Der Geliebte, der…
Und was habe ich für sie getan: Blumen gepflückt, Gedichte geschrieben, gekocht, zu aller Zeit das Telefon abgehoben.

Und die Schwierigkeiten. So viele. "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die oft das Gute will und oft das Böse schafft, frei nach Faust", sagt die Mock Turtle mit einem Seufzer. Nein bin ich nicht – ich bin einfach eine riesengroße Egoistin, die sich Jahre ihres Lebens mit selbstverliebter Nabelschau vertrieben hat.

Langsam gewöhne ich mich wieder an den Lärm, der wie ein dicker Wattebausch auf dem Weg nach innen wirkt. Die Medien haben mich wieder. Das Handy liegt in Reichweite, ich habe ein Blog gestartet. Kommunikation, mein Leben, mein Geschäft. So manches, was für mich getan wurde, habe ich schon wieder übersehen, nicht immer habe ich was für andere getan und ich hab meinen Mitmenschen (und damit auch mir) schon wieder jede Menge Schwierigkeiten bereitet, aber ich weiß, wie mein aufgeräumtes Zimmer aussieht.
1848 mal erzählt

8
Aug
2006

The Mock Turtle's Story

"Once," said the Mock Turtle at last with a deep sigh, "I was a real Turtle."
These words were followed by a very long silence, broken only by an occasional exclammation of "Hjckr!" from the Gryphon, and the constant heavy sobbing of the Mock Turtle. Alice was very nearly getting up and saying "Thank you for your interesting story," but she could not help thinking there must be more to come, so she sat still and said nothing.
965 mal erzählt
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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Im Bilde

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Soundtrack

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Nach dem Text fürn Wolf musste ich schnell diesen nochmal...
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Alle Kraft für ihn!
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datja - 18. Jul, 18:34
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Lieber Yogi, ein bisschen frivol der Geburtstagsgruß...und...
datja - 5. Jul, 14:19
Hauptsach: Österreich...
Hauptsach: Österreich ist geil! Herr Nömix....
noemix - 5. Jul, 14:14
...und dann sind wir...
...und dann sind wir Helden...danke, liebe Elfenhäuslerin...
katiza - 5. Jul, 14:09

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