Radio Night
Von der Brettern, die eine Welt bedeuten direkt aufs Vorderdeck: Schnell noch die alte Angst verjagt, die sich kurz von ihrem Lager zwischen den Rumfässern unter Deck erhoben hatte und Nächtens über die Balken taumelte. Frischer Wind ist aufgekommen, wir haben wieder Fahrt aufgenommen und Koordinaten fest gelegt. Jetzt ruhen wir uns ineinander verschlungen aus, gute Aussichten inmitten der sieben Weltmeere. Wir gönnen uns ein Piratenfrühstück, Hirschsteak mit Granatapfel und Chilli, denken um die Ecke und trinken kalten Kaffee.
Und dann kehren wir zurück auf unsere Positionen, er auf die Bretter unter den Bögen, ich auf mein Musenpodest. Endlich ist wieder Freitag. Der Erstgeborene vervollkommnet die "Hundert Jahre", finale Schnitte, sagt er, und doch höre ich wieder neues. Die 1950er dringen aus den Lautsprechern – Wirtschaftswunder mit Werbung und Schlager. So viel von ihm wiederentdecktes und lieb gewonnenes. Und wieder sitze ich auf dem Esszimmerteppich meiner Kindheit. Neben mir der Kofferplattenspieler und die Singlebücher meiner Eltern. Es war einer der wenigen Räume meiner Kindheit ohne Bücher, fällt mir auf, während Chris Howland für Bertelsmann Schallplatten wirbt. Was für eine Gnade, in einem Haus voller Bücher aufzuwachsen, Reader’s Digest am Klo und Zeitungen in der Küche. Bücherregale im Wohnzimmer und in allen Zimmern des Obergeschosse, aufgewachsen, geborgen in Buchstaben. Auch in meiner Wohnung findet sich Gedrucktes in allen Räumen. Ob er sich erst in die Bücher oder erst in mich verliebt habe, wollte eine vom Einen wissen. Oder in die „Hundert Jahre“, de aus dem Küchenradio tönten an diesen ersten Morgen, wie seither stets.
Alle meine Klassiker höre ich an diesem Abend. „Tom Dooley“. Und wieder fällt mir die alte Geschichte ein, als wir dem Schulinspektor unser Lieblingslied vorsingen sollten und ich begeistert loslegte: „Das ist die Geschichte von Tom Dooley aus Tennessee und seinem Ende, er liebte die Frau eines anderen und weil sie nichts von ihm wissen wollte, da erdolchte er sie…“ Ich glaube, ich kam noch bis zu „Morgen da bist du tot.“ Das Lachen der Erwachsenen war mir süßer Beifall. Und „Mylord“, auch ursprünglich auf Deutsch gehört, und nur wenige Jahre später dann im Original, als mich die Piaf neben den Doors und The Clash durch meine Pubertät trug.
Und Brecht, Mackie Messer vom Stückeschreiber selbst gesungen. Und in etlichen anderen Varianten. „Ich liebe dieses Stück“, sage ich zum x-ten Mal an diesem Abend. Das Steve Jobs 1955 geboren ist fällt mir ein, als Oppenheimer über das Atom spricht. „Das war eine Zeit des Umbruchs“, sagt der Erstgeborene: „Da ist so viel passiert, entstanden.“ Ich stimme ihm zu, während mir bewusst wird, dass unsere Zeit, jetzt, mindestens ebenso geschichtsträchtig ist, wie alle Zeiten, nur das Rad scheint sich noch schneller zu drehen. Und während wir darüber sprechen holen uns die Siebziger Jahre des letzten Jahrtausends ein. Die Zeit, in der wir als Idee, Traum, Vision unserer Eltern bereits vorhanden waren, angelegt. Die Radioklänge unserer frühen Kindheit.
Und dann legt er ein anderes Band auf. Eine alte Radiosendung hat er digitalisiert, im Studio die junge Turtle vor zwanzig Jahren, gepresste Stimme und ultracool, fast ein bisschen asthmatisch beim Versuch sexy zu klingen. Und plötzlich bin ich wieder dort, in dem Wiener Studio, am Drehstuhl auf Rädern zwischen Revox-Bandmaschinen,CD-Playern und Plattenspielern. Und das Mischpult mit den vielen Reglern und das Mikrophon. Wir tranken Bier in der Musikredaktion und rauchten im Lager. Irgendwo stand ein Apple herum, meine Moderationen hatte ich mit der Hand notiert und eh im Kopf.
Der Erstgeborene war damals schon dabei, hat mir geholfen, das Mikrophon einzustellen auf extra erotisch-cooles Timbre und die Übergänge zurecht zu schnipseln und andere waren auch dabei…wir erinnern uns, erzählen Geschichten, nennen Namen … sind alle was geworden, sagen wir uns, wir auch – weit haben wir es gebracht. Und noch immer hilft er mir beim Regler schieben und ich moderiere sein Leben.
Ach ja, hört sich gar nicht so schlecht an, die alte "Intensivstation", ein wildes Ding war ich damals, bin ich heute noch, wieder....
Und dann kehren wir zurück auf unsere Positionen, er auf die Bretter unter den Bögen, ich auf mein Musenpodest. Endlich ist wieder Freitag. Der Erstgeborene vervollkommnet die "Hundert Jahre", finale Schnitte, sagt er, und doch höre ich wieder neues. Die 1950er dringen aus den Lautsprechern – Wirtschaftswunder mit Werbung und Schlager. So viel von ihm wiederentdecktes und lieb gewonnenes. Und wieder sitze ich auf dem Esszimmerteppich meiner Kindheit. Neben mir der Kofferplattenspieler und die Singlebücher meiner Eltern. Es war einer der wenigen Räume meiner Kindheit ohne Bücher, fällt mir auf, während Chris Howland für Bertelsmann Schallplatten wirbt. Was für eine Gnade, in einem Haus voller Bücher aufzuwachsen, Reader’s Digest am Klo und Zeitungen in der Küche. Bücherregale im Wohnzimmer und in allen Zimmern des Obergeschosse, aufgewachsen, geborgen in Buchstaben. Auch in meiner Wohnung findet sich Gedrucktes in allen Räumen. Ob er sich erst in die Bücher oder erst in mich verliebt habe, wollte eine vom Einen wissen. Oder in die „Hundert Jahre“, de aus dem Küchenradio tönten an diesen ersten Morgen, wie seither stets.
Alle meine Klassiker höre ich an diesem Abend. „Tom Dooley“. Und wieder fällt mir die alte Geschichte ein, als wir dem Schulinspektor unser Lieblingslied vorsingen sollten und ich begeistert loslegte: „Das ist die Geschichte von Tom Dooley aus Tennessee und seinem Ende, er liebte die Frau eines anderen und weil sie nichts von ihm wissen wollte, da erdolchte er sie…“ Ich glaube, ich kam noch bis zu „Morgen da bist du tot.“ Das Lachen der Erwachsenen war mir süßer Beifall. Und „Mylord“, auch ursprünglich auf Deutsch gehört, und nur wenige Jahre später dann im Original, als mich die Piaf neben den Doors und The Clash durch meine Pubertät trug.
Und Brecht, Mackie Messer vom Stückeschreiber selbst gesungen. Und in etlichen anderen Varianten. „Ich liebe dieses Stück“, sage ich zum x-ten Mal an diesem Abend. Das Steve Jobs 1955 geboren ist fällt mir ein, als Oppenheimer über das Atom spricht. „Das war eine Zeit des Umbruchs“, sagt der Erstgeborene: „Da ist so viel passiert, entstanden.“ Ich stimme ihm zu, während mir bewusst wird, dass unsere Zeit, jetzt, mindestens ebenso geschichtsträchtig ist, wie alle Zeiten, nur das Rad scheint sich noch schneller zu drehen. Und während wir darüber sprechen holen uns die Siebziger Jahre des letzten Jahrtausends ein. Die Zeit, in der wir als Idee, Traum, Vision unserer Eltern bereits vorhanden waren, angelegt. Die Radioklänge unserer frühen Kindheit.
Und dann legt er ein anderes Band auf. Eine alte Radiosendung hat er digitalisiert, im Studio die junge Turtle vor zwanzig Jahren, gepresste Stimme und ultracool, fast ein bisschen asthmatisch beim Versuch sexy zu klingen. Und plötzlich bin ich wieder dort, in dem Wiener Studio, am Drehstuhl auf Rädern zwischen Revox-Bandmaschinen,CD-Playern und Plattenspielern. Und das Mischpult mit den vielen Reglern und das Mikrophon. Wir tranken Bier in der Musikredaktion und rauchten im Lager. Irgendwo stand ein Apple herum, meine Moderationen hatte ich mit der Hand notiert und eh im Kopf.
Der Erstgeborene war damals schon dabei, hat mir geholfen, das Mikrophon einzustellen auf extra erotisch-cooles Timbre und die Übergänge zurecht zu schnipseln und andere waren auch dabei…wir erinnern uns, erzählen Geschichten, nennen Namen … sind alle was geworden, sagen wir uns, wir auch – weit haben wir es gebracht. Und noch immer hilft er mir beim Regler schieben und ich moderiere sein Leben.
Ach ja, hört sich gar nicht so schlecht an, die alte "Intensivstation", ein wildes Ding war ich damals, bin ich heute noch, wieder....
katiza - 9. Okt, 15:17
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