Stormy weather
Schon gestern ist der Föhn über die Stadt und uns hereingebrochen. Gestern also habe ich mich auf die Hungerburg geflüchtet, alleine, die Mutter war zu erschöpft für einen Ausflug mit der neuen Bahn. Und so fuhr ich mit dem Bus in die Stadt, wie ich es zuletzt vor mehr als 20 Jahren gemacht habe, ging den vertrauten Weg zur vertrauten Haltestelle und war doch eine Neue, Andere. Alle sieben Jahre, sagt man ändere sich der Mensch, seien alle Zellen ersetzt, erneuert. Die Erinnerungen bleiben und tauchten auf mit jedem Schritt, mit dem ich die vertrauten Wege abging. Erst unsicher und suchend, dann immer mehr wiedererkennend. Als Kind war die Mutter hier mit mir spazieren, später als Teenager war ich auf der Seegrube Schifahren und noch später saß ich mit dem netten schwulen wohlbeleibten Radiomoderator in der „Frau Hitt“ auf ein Bier. Und dann die Stelle am Inn, wo ich als Mädchen dem Fotografen Modell saß, die Bushaltestelle, wo ich auf den Bus wartete nachdem ich zur Frau geworden war, gleich ums Eck von meinem Kindergarten. Hier ein Plätzchen, wo wir heimlich gekifft haben, dort eines, wo ich innige Küsse getauscht hab und da hab ich geweint.
Abends dann ein Treffen mit der Vergangenheit, mit einer Schulkollegin, ja, Freundin von damals. Vertraute Fremde, wie anders ist mein Leben verlaufen als ihres und doch treffen wir uns da und dort wieder, Frauen in der Lebensmitte eben. Cafe Central, Kellertheater, Landesstudio, all das lässt mich ahnen, wie es gewesen wäre, ich gelebt hätte, wäre ich nicht nach Wien gegangen. Reich beschenkt hat mich das Leben; das ist mir wohl bewusst. Auch wenn die Mock Turtle immer wieder tief drinnen ihr pathetisches Klagelied anstimmt, in das ich oft zu gerne einstimme, mein Leben ist voll von Geschenken und Wundern.
In der Nacht hat dann der Föhn am alten Haus geruckelt, gezerrt, auch an den Nerven, an der Kraft und heute morgen brach dann der Hass hervor, stürmisch und böig, wie der warme Fallwind, der mich, uns taumelnd macht, fallen lässt, verfallen. Und plötzlich ist das kleine Mädchen wieder da, die kleine Turtle mit ihrem großen Schmerz und weil die Mutter nur mehr mit Worten zuschlägt, schlägt sie sich selbst mit Händen. Nur mehr bis morgen Abend muss ich hier bleiben, dann darf ich zurück in mein Leben, in dem doch jetzt auch nicht zuhause bin, in dem ich mich gerade eben neu einrichte. Stürmische Zeiten.

Das Reizbare hat was, wahrscheinlich etwas, das über Kopfweh hinausgeht.
Na und Spurenfindung ist nicht der Übelsten eines.
Klar sind wir jetzt und hier, aber ist Gegenwart nicht ein dünnes Häutchen, das uns die Zeit drüber legt?
Eigentlich sind wir Summe von etwas, und da ist alles jetzt.
Aber echt, ich tu mir auch schwer damit.
Aber dennoch nicht verzagen,
widerstehn.
Leben ist Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Leben ist Brücken schlagen
über Ströme, die vergehn.
Beneiden Sie uns nicht; Herr Schneck. Georg Trakls Worte im gleichnamigen Gedicht treffen es sehr:
Föhn
Blinde Klage im Wind, mondene Wintertage,
Kindheit, leise verhallen die Schritte an schwarzer Hecke,
Langes Abendgeläut.
Leise kommt die weiße Nacht gezogen,
Verwandelt in purpurne Träume Schmerz und Plage
Des steinigen Lebens,
Daß nimmer der dornige Stachel ablasse vom verwesenden Leib.
Tief im Schlummer aufseufzt die bange Seele,
Tief der Wind in zerbrochenen Bäumen,
Und es schwankt die Klagegestalt
Der Mutter durch den einsamen Wald
Dieser schweigenden Trauer; Nächte,
Erfüllt von Tränen, feurigen Engeln.
Silbern zerschellt an kahler Mauer ein kindlich Gerippe.
es gibt Van Gogh Bilder, die aussehen, wie der Föhn sich anfühlt....
.
Als ich Ihren Kommentar las, fühlte ich mich betroffen, ja kurz angegriffen.. ich bin es, ein Bergmensch, genau das ist ein Beweis...
es sollte lediglich das feststellen eines gesellschaftlichen allgemeinzustandes sein.
anyway, concerned ...
Er zaust; Pappbecher liegen herum und Blätter fliegen durch den Garten, die Mutter kehrt verzweifelt gegen die Unordnungen an, Unruhe. Und heute - wie immer - war es wieder der Föhn, der mich verletzt, der mmich böses, gemeines weib geschimpft hat, der Föhn, der das Durcheinander Fliegende weiter zerstoben hat, nur der böse Föhn und das Leben...und ich tröste sie und verzeihe. Es ist der Föhn. Das kleine Mädchen kann nichts richig machen, wenn der Wind geht.
anyway, thx
Aus der Po-Ebene und noch südlicher ;-)?
Und die Muttermächte? Die Mutter ist der Anfang, darin liegt viel Macht, sie lehrt, vermittelt, auch sich.....
Trackback URL:
https://katiza.twoday-test.net/stories/8410076/modTrackback