Herdflucht
Eben zur Wahl geschritten: wie verhältnismäßig einfach ist es, seine Stimme für ein kleineres Übel abzugeben, im Vergleich zu Entscheidungen auf anderen Ebenen. Dort bedeuten sie, das Schwert aus der Scheide zu ziehen, Schnitte zu setzen und zu verletzen. Doch da wie dort gilt es Verantwortung für das eigene Leben anzunehmen.
Als ich den Hof des alten AKH betrete, wo ich mich hin fliehe, um im Rest der Oktobersonne Ruhe und Worte zu finden, sehe ich zwei Männer den Weg entlang kommen, Stangen in den Händen, der eine rollt eine Weltkugel mit seinen Füßen vor sich her. Wie ein Zeichen scheint die Szene, aber sie hat nichts zu bedeuten. Ebenso wenig wie das warme Lächeln der Frau, die mir am Weg entgegen kommt.
Gestern um diese Zeit habe ich meine Hände in Teig gegraben. Im weichen warmen Germteig habe ich all die Trauer, die Schmerzen, die Ängste, den Hunger, die Sehnsucht, die Geilheit, die Liebe verarbeitet. Es treibt mich an die Feuerstelle, den Herd. Wie besessen schäle ich Äpfel, schneide Gemüse, komponiere Gewürze. Kürbissuppe und Apfelstrudel und Carta da Musica und kleine knusprige Foccaccias, die er gerne mag. So gebe ich, was ich anders nicht geben kann, mag. Immer ein wenig süß, immer ein wenig sauer und Chili. Ich, die nie Kinder wollte, in der Rolle der Nährmutter.
Das Kochen gibt mir Trost und Wärme. Es hilft, die Zwiebel präzise zu schneiden und Avocados zu würfeln, durch die Küche zu wirbeln auf der Suche nach Zutaten. Da fehlt noch Salz, dort würde Ingwer passen. Wir brauchen Wärme. Das alles lenkt ab von den quälenden Gedanken, die mich vor den Schirmen und auf den Wegen anfallen, die nicht zu Ende gedacht werden können und daher kreisen, kreisen, kreisen. Sie hören auf, wenn die Hände im Teig versinken, sich durch die weiche Masse graben, wenn sie verraten, dass es gut wird, weil ich alles richtig gemacht habe und wenn die 100 Jahre aus dem CD-Player tönen. Das Projekt des Erstgeborenen verleiht mir Abstand zur Gegenwart und meinem kleinen Leben. Das kann der geliebte Soul jetzt nicht (Farewell Solomon Burke), Soul legt den Finger auf die Wunde, die Helden auch. Also Freddy und Frauengold. Und kneten und schneiden. Und dann entsteht etwas und es schmeckt. Zuviel von allem wir können es nicht essen, nicht schlucken, nicht verdauen. Zugeschnürte Kehlen. Ich verschenke, friere ein, bemühe mich die Suppe auszulöffeln , die ich mir eingebrockt habe.
Die Liebe auf Vorrat einkochen, geht mir durch den Kopf, der Winter kann sehr kalt werden.

Als ich den Hof des alten AKH betrete, wo ich mich hin fliehe, um im Rest der Oktobersonne Ruhe und Worte zu finden, sehe ich zwei Männer den Weg entlang kommen, Stangen in den Händen, der eine rollt eine Weltkugel mit seinen Füßen vor sich her. Wie ein Zeichen scheint die Szene, aber sie hat nichts zu bedeuten. Ebenso wenig wie das warme Lächeln der Frau, die mir am Weg entgegen kommt.
Gestern um diese Zeit habe ich meine Hände in Teig gegraben. Im weichen warmen Germteig habe ich all die Trauer, die Schmerzen, die Ängste, den Hunger, die Sehnsucht, die Geilheit, die Liebe verarbeitet. Es treibt mich an die Feuerstelle, den Herd. Wie besessen schäle ich Äpfel, schneide Gemüse, komponiere Gewürze. Kürbissuppe und Apfelstrudel und Carta da Musica und kleine knusprige Foccaccias, die er gerne mag. So gebe ich, was ich anders nicht geben kann, mag. Immer ein wenig süß, immer ein wenig sauer und Chili. Ich, die nie Kinder wollte, in der Rolle der Nährmutter.
Das Kochen gibt mir Trost und Wärme. Es hilft, die Zwiebel präzise zu schneiden und Avocados zu würfeln, durch die Küche zu wirbeln auf der Suche nach Zutaten. Da fehlt noch Salz, dort würde Ingwer passen. Wir brauchen Wärme. Das alles lenkt ab von den quälenden Gedanken, die mich vor den Schirmen und auf den Wegen anfallen, die nicht zu Ende gedacht werden können und daher kreisen, kreisen, kreisen. Sie hören auf, wenn die Hände im Teig versinken, sich durch die weiche Masse graben, wenn sie verraten, dass es gut wird, weil ich alles richtig gemacht habe und wenn die 100 Jahre aus dem CD-Player tönen. Das Projekt des Erstgeborenen verleiht mir Abstand zur Gegenwart und meinem kleinen Leben. Das kann der geliebte Soul jetzt nicht (Farewell Solomon Burke), Soul legt den Finger auf die Wunde, die Helden auch. Also Freddy und Frauengold. Und kneten und schneiden. Und dann entsteht etwas und es schmeckt. Zuviel von allem wir können es nicht essen, nicht schlucken, nicht verdauen. Zugeschnürte Kehlen. Ich verschenke, friere ein, bemühe mich die Suppe auszulöffeln , die ich mir eingebrockt habe.
Die Liebe auf Vorrat einkochen, geht mir durch den Kopf, der Winter kann sehr kalt werden.

katiza - 10. Okt, 16:00
15 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
786 mal erzählt
testsiegerin - 10. Okt, 16:54
das ist ein wunderschöner text.
ich verkoche meine gefühle und gedanken auch gern. (wenn auch wahrscheinlich nicht so gut und exotisch wie sie, frau katiza).
und das bild mit der weltkugel, die da so vor sich hinrollt, das hat sich eingebrannt bei mir. hoffentlich fällt die welt auf die gute seite. welche auch immer das ist. vielleicht ist genau das das problem, dass nicht mehr klar ist, was ist gut, was böse, was schlecht, was recht?
das leben ist kein märchen. auch wenn es oft grausam ist.
ich verkoche meine gefühle und gedanken auch gern. (wenn auch wahrscheinlich nicht so gut und exotisch wie sie, frau katiza).
und das bild mit der weltkugel, die da so vor sich hinrollt, das hat sich eingebrannt bei mir. hoffentlich fällt die welt auf die gute seite. welche auch immer das ist. vielleicht ist genau das das problem, dass nicht mehr klar ist, was ist gut, was böse, was schlecht, was recht?
das leben ist kein märchen. auch wenn es oft grausam ist.
katiza - 10. Okt, 18:55
das leben ist kein märchen. auch wenn es oft grausam ist.
Ja. Danke.
Ja. Danke.
ConAlma - 10. Okt, 17:16
Ich versteh das mit dem Kochen. Die Wärme des Herdes ersetzt andere, fehlende Wärme. Aber die Signale, die damit gesendet werden, sind eine Art Pheromonfalle.
Sehr schön g'schriebn.
Sehr schön g'schriebn.
profiler1 - 10. Okt, 17:40
liebe alma, das mit den pheromonen kann ich nicht vollinhaltlich bestätigen. andererseits oft beginnts mit kochen, enden jedoch nie....
off topic: kochen ist nie zu ende...
off topic: kochen ist nie zu ende...
katiza - 10. Okt, 19:02
Frau Alma kennt meine Kürbissuppe und hat darin vielleicht auch Pheromonsignale geschmeckt, Herr Profiler ;-)
Off Topic: Liebe ja auch nicht. Aber beides transformiert Lebens-Mittel und Werte.
Off Topic: Liebe ja auch nicht. Aber beides transformiert Lebens-Mittel und Werte.
profiler1 - 10. Okt, 19:11
könnten sie mir bitte das detaillierte rezept dieser suppe mailen :-)
ConAlma - 10. Okt, 19:50
Ich schrieb ja: eine Art. Also nicht wirklich. Die Autorin weiß schon was ich mein. Mutterpheromone, die sind was Spezielles
profiler1 - 10. Okt, 19:53
verstehe, in dem fall bin ich natürlich mit meiner kunst am ende..
steppenhund - 10. Okt, 20:19
I tua ja a kochn. Und eigentli heit nua, wäu ma des Faschierte abbratn muaß. Und eigentli wollt is gar net essn, wäu i jo a stek khabt hät.
Obr doan hat der Melanzani-Auflauf, der füa Frau un Kinda füa murgn dacht war, so guat ausgschaut, doss i do no wos gessn hob. Jetzt san ma de Stek übrig bliabn.
(Obr nix Bsunders: nur die Meli, Zwiefl, Tomatn, s'Fleisch, Böschamöllsoß, Salz, Pfeffer, Muskat und Oregano. Den Knofl hob i sogor vagessn.
Besser gfüht hob i mi nua, wäu i an Praittnbrunn 1273 drunka hob. Der woar fein, der hot des Herzerl gwarmt.
Obr doan hat der Melanzani-Auflauf, der füa Frau un Kinda füa murgn dacht war, so guat ausgschaut, doss i do no wos gessn hob. Jetzt san ma de Stek übrig bliabn.
(Obr nix Bsunders: nur die Meli, Zwiefl, Tomatn, s'Fleisch, Böschamöllsoß, Salz, Pfeffer, Muskat und Oregano. Den Knofl hob i sogor vagessn.
Besser gfüht hob i mi nua, wäu i an Praittnbrunn 1273 drunka hob. Der woar fein, der hot des Herzerl gwarmt.
katiza - 11. Okt, 17:20
Dialekt-ik, Herr Steppenhund? Antithese zu meinem Gesudere meinen Verzweiflungsausbrüchen oder war es der Praittnbrunn, der Sie in Mundart verfallen lässt?
steppenhund - 11. Okt, 21:35
Nein, es war die Darstellung des "gemeinen Auflaufs", der sich nicht mit den dargestellten viel feineren Zubereitungen messen kann. Da fand ich die Mundart angemessen. Dass er mir aber dann so gut geschmeckt hat, dass ich selber gleich davon gegessen habe, war ein Versehen:)
Jossele - 11. Okt, 17:36
Manchmal bleibt nicht viel, manchmal bleibt Kochen.
Und he, so wenig ist das nicht.
Na ja, Schwammerlsuppe ok, aber Chinesisch Dingsda, total versaut (Gewürze zusehr mit angebraten, bitter).
Fazit: Zwei Schritt vor, einer zurück. In Summe, einer vor!
Und he, so wenig ist das nicht.
Na ja, Schwammerlsuppe ok, aber Chinesisch Dingsda, total versaut (Gewürze zusehr mit angebraten, bitter).
Fazit: Zwei Schritt vor, einer zurück. In Summe, einer vor!
Nachtgezwitscher - 12. Okt, 18:31
Ein Lesegenuss, in dem ich mich auch wiedergefunden habe.
Anousch - 20. Okt, 16:47
die worte zu finden zu den bildern ist das schwierigste. Ihnen gelingt das immer und immer wieder. danke!
katiza - 22. Okt, 12:13
Was für eine Freude, liebe Anousch - Sie haben Recht:
Die Liebe ist das Größte überhaupt....
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