Zeitreise
Einer, den ich vor Jahren geliebt habe, feierte Geburtstag. Feret habe ich ihn genannt und ich freue mich noch immer, wenn ich ihn sehe, denn in der Zeit als wir unser Lager teilten, hat er mich reich beschenkt mit Musik und Literatur. Und so nötigte ich den Liebsten mitzugehen, obwohl er nicht sehr begeistert war vom Ausflug in meine Vergangenheit. Am Fest traf ich einen anderen Ex-Liebhaber, den ich damals wenig ruhmreich gegen Feret eingetauscht habe. Und dann war da noch einer, der wiederum ein Ex hätte sein können, aber ich war mir nicht sicher und es gelang mir nicht Augenkontakt herzustellen, geschweige denn ihn anzusprechen, denn als ich meinen Mut zusammen genommen hatte, war er im Getümmel verschwunden. Auch Ferets Eltern waren am Fest, extra aus der Tiroler Heimat gekommen. Der Vater filmte und ich dachte daran, dass mir Feret vor einem Jahr – oder waren es zwei – erzählt hat, dass ein Aktfoto von mir, das ein alter Freund gemacht hatte, bei seinem Vater in der Wohnung hänge. Es irritiere ihn schon etwas, meinte er damals im Zug zwischen Innsbruck und Wien, die nackte Exgeliebte mit vertrautem, fremden Körper dort hängen zu sehen. Mit dem Vater hatte ich Augenkontakt am Fest, er filmte auch mich. Das Aktmodell des Fotografen, der seine Augen vor fünf Jahren bewusst für immer geschlossen hat, das Mädchen, das er im Bett seines Sohnes angetroffen hat, als er eines Tages in dessen Wohnung ein Regal montierte, die altkluge Kaffeehausbekanntschaft, die sich am Tisch der Großen im Central tummelte, erkannte er nicht. Als wir noch vor Mitternacht nach Hause gingen, war die Mock Turtle ein wenig melancholisch. Später fiel ihr ein Gedicht in die Hände, das sie damals für Feret geschrieben hatte – am 16.10.1989 – fast genau sieben Jahre vor dem Fest:
An jenem Abend, es war nach neun,
als ich alleine in der Küche stand,
geschah es, dass ich unvermutet,
am blauen Stuhl dort deinen Schatten fand.
Zuerst wollt ich zum Fenster laufen,
dich rufen, ihn dir wieder geben,
dann dacht ich mir, behalt ihn doch,
er kann auch ohne Schatten leben.
Seitdem trag ich als Mantel ihn,
wenn ich des nächtens streunen geh,
du kannst mir glauben, dass ich darin,
wie eine Königin ausseh.
Und kehr ich heim im Morgengrauen,
deck ich mich manchmal mit ihm zu,
dann wärmt er nicht, dann frier ich bloß,
ist nur dein Schatten, ' s bist nicht du.
Happy Birthday, Feret!
An jenem Abend, es war nach neun,
als ich alleine in der Küche stand,
geschah es, dass ich unvermutet,
am blauen Stuhl dort deinen Schatten fand.
Zuerst wollt ich zum Fenster laufen,
dich rufen, ihn dir wieder geben,
dann dacht ich mir, behalt ihn doch,
er kann auch ohne Schatten leben.
Seitdem trag ich als Mantel ihn,
wenn ich des nächtens streunen geh,
du kannst mir glauben, dass ich darin,
wie eine Königin ausseh.
Und kehr ich heim im Morgengrauen,
deck ich mich manchmal mit ihm zu,
dann wärmt er nicht, dann frier ich bloß,
ist nur dein Schatten, ' s bist nicht du.
Happy Birthday, Feret!
katiza - 20. Okt, 10:35
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
626 mal erzählt
ConAlma - 20. Okt, 10:56
Ich sehe, dass auch bei dir dei Vergangenheit manchmal ganz nah und spürbar da steht.
katiza - 20. Okt, 11:06
Wie wahr,
sehr nah, aber doch wie eine Scheibe vom heutigen Leben getrennt - früher wollte ich immer das gestern ins heute retten, heute freue ich mich, einen Blick ins Gestern zu werfen, muss aber nichts weiter führen, nichts fest halten, sondern kann es ansehen, wie einen alten, pathetischen Film, in dem ich doch noch manchmal überraschende Details entdecke...und dieses Blog gibt mir die Chance die Dinge auszustellen - aus mir heraus zu stellen und sie somit nicht mehr mit mir herum zu schleppen.
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