25
Dez
2010

Weihnachten halt..

Ein fetter Frosch saß in meinem Hals, als ich gestern Morgen erwacht bin. „Scheiße“, quakte er und weckte Befürchtungen, dass dort unten im Keller die falschen Geschenke liegen, zu wenig, an den Wünschen vorbei, jemanden vergessen? Und dann beschwor er die Geister vergangener Weihnachten und das Gespenst der letzten Monate und mein Blick fiel auf eine Perle am Nachtkästchen, die für nie geweinte Tränen steht und meine Tränen begannen zu fließen. Der Mutterzorn tat sein Übriges. Aber ich möchte an Weihnachten glauben, an die ganze Fest-der-Liebe-Geschichte und so atmete ich aus und wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser und besorgte noch die eine oder andere Kleinigkeit und schnürte Päckchen. Unser Christbaum steht am Grab meines Vaters, hier im Haus steht schon lange keiner mehr. Nicht mehr seit ich geheiratet habe und begonnen habe, unser Weihnachten mit unserem Baum zu feiern.

Und Heiligabend dann Kinderglück und Weihnachtsfest, italienischer Salat und Kekserln und Prinzessin Mäusezahn glaubt an das Christkind und an die Zauberkette, die Assistenzengerl Sternengestöber aus Bali geholt hat und deren drei Steine immer dann helfen, wenn sie Hilfe braucht und niemand darf die Steine berühren, nur sie. Und Mimi schwingt mit, als Nina Simone leise im Hintergrund singt. Und alles scheint gut. Nur wenn man genau hinschaut, sieht man so viel alten Zorn, Angst und Schmerz in den Augen der Großen, auch in meinen wohl. Ich telefoniere mit dem Mann, der den Abend allein verbrachte. Wieder fühle ich mich auch allein, habe den Eindruck, dass weder Mutter noch Mann mich sehen, verstehen, hören, kennen, dass ich ihnen fremd bin, bleibe. Und ich drücke das kleine schwarze Mädchen, das so viel eher hier her zu gehören scheint als ich.

Ich lebe so laut, wie meine Stimme klingt, zu laut beklagt die Mutter hier in diesem Haus, in dem Fußböden und Treppen mehr Geräusche machen als sie und ich – und außer uns kommt kaum jemand über die Schwelle. Das war schon immer so, ich brauch kein Mikrofon, keinen Verstärker, meine Gefühle sieht man mir an, ich weine auch in der U-Bahn, wenn das Leben weh tut, ich schreie ohne Rücksicht auf die Nachbarn, ich kann einen Raum mit meinem Lachen füllen (und leeren), meine Gesten sind so üppig wie meine Worte und seit Jahren singe ich mein Klagelied hier in Blogistan. Geheimnisvoll wäre anders. Und nehmen mich auch die, die mir am nächsten stehen nicht wahr, so habe ich doch hier Heimat. Und dafür bedanke ich mich - Weihnachten halt, die Zeit um schonungslos auszupacken....

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ConAlma - 25. Dez, 13:15

Life as Zip and the blog to unpack it ...

Ach Liebe, ein paar schonende Tage mögen dir doch vergönnt sein!

katiza - 27. Dez, 11:29

Danke, aber wohl nicht hier in der Bergheimat. Aber ich bin froh, dass ich den Blog habe to unpack the unpackable....
profiler1 - 25. Dez, 19:52

sprachlos, wie so oft....

katiza - 27. Dez, 11:32

Ach, Herr Profiler, es braucht nicht immer Worte, um sich verstanden zu fühlen....
steppenhund - 25. Dez, 20:16

Also ich schätze das Laute an Ihnen. Es entbehrt der Prätention. Und das genieße ich. Und im Blog vernehme ich immer eine sehr leise Stimme, die das Geheimnisvolle im Lauten versteckt aber davon nicht erstickt wird. Die Gefühle erscheinen nicht laut übertrieben, doch sie sind wahrnehmbar. Und oft, wie auch heute, denke ich, dass Ihre Texte zweistimmig sind: eine laute Führung und ein zarter Kontrapunkt, der durch den Kontrast in seiner Wirkung noch verstärkt wird.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie über das Momentane gut hinüberkommen, irgendwie bezweifle ich aber nicht, dass Sie es auch schaffen werden.

katiza - 27. Dez, 11:56

Lieber Herr Steppenhund, ich muss gestehen, das mit der Prätention gefällt mir und auch dass Sie das Leise hören und das Zweistimmige freut mich schon sehr und oh ja, ich pack das schon!
testsiegerin - 25. Dez, 20:50

Ach, wie kann ich Sie gut verstehen.
Und ach, wie kann ich Sie gar nicht verstehen.
Und ach, wie kann ich mich manchmal auch nicht verstehen.

Letztendlich glaub ich, dass es immer nur Momente sind, in denen wir uns wo daheim und geborgen und vertraut und verstanden fühlen, und diese Momente gilt es aufzusaugen und zu genießen. Und in all den anderen gilt es zu akzeptieren, dass wir überall Fremde sind, oft sogar in uns selbst. Oder vor allem dort. Da, wo ich herkomme, sagen sie: Du bist aber nicht von hier. Da, wo ich hingekommen bin, sagen sie das gleiche.

Ich mag das, wenn man den Menschen die Gefühle ansieht, die Lebensfreude und auch die Lebenstraurigkeit. Ich kann nämlich nicht Gedanken- oder Gefühlelesen und mir ist das viel lieber so. Ich bin sehr dankbar und fühle mich privilegiert, dass Sie uns daran teilhaben lassen.

Und liebe Frau Katiza, ich habe hier bei Ihnen in den letzten Jahren (ja, ich lese hier tatsächlich schon eine ganze Weile) die leisen und die lauten Seiten kennengelernt. Und ich mag die beide und all die anderen sehr.

katiza - 27. Dez, 12:06

Jetzt hören Sie aber auf mit den vielen netten Worten, Frau Testsiegerin - und das mit dem Gedankenlesen und Gefühlelesen kann ich auch nicht, das kann kaum jemand (außer meine Mutter, meint sie), am allerwenigsten die, die es behaupten!
la-mamma - 25. Dez, 21:01

ich finde es ja manchmal am anstregendsten gegen das bild, das die eigenen eltern so von einem im kopf haben, zu kämpfen. und mir scheint gerade da werden veränderungen am allerwenigsten gern wahrgenommen, oder wenigstens subtil übersehen.
umgekehrt schieb ich dann wieder manches schon aufs alter, und bin mir da nicht sicher, ob ich es mir mit der erklärung nicht ein wenig einfach mache ...
während lautes lachen einfach nur was richtig schön ansteckendes ist, wo auch immer. lassen sie sich davon ja nicht abhalten, frau katiza! in diesem sinne auch eine schöne woche!

katiza - 27. Dez, 12:32

Gegen diese Bilder kämpfe ich schon lang nicht mehr, liebe Frau la-mamma, manchmal bin ich sogar amüsiert über das Bild und finde es sogar spannend, wie es sich zusammensetzt. bei meiner Mutter hat das weniger mit dem Alter zu tun, das war eigentlich schon immer so - ein symbiotisches Verhältnis zu mir hat  ein Psychiater diagnostiziert, zu dem sie mich vor 25 Jahren geschickt hat, weil ich einen Freund hatte, der ihr nicht gepasst hat...

Und das mit dem lauten Lachen, das vergeht mir eh nicht, hoffentlich bald wieder mit euch....

 


LadylikeKandis - 25. Dez, 21:12

meine liebe, auch ich war heute eigentlich fehl am platze, mit der gesamten familie in der wohnung, die nicht mehr meine ist, dachte ich, denn plötzlich war es wie die jahre zuvor. man hätte mich n icht weg denken können, ich die einzige raucherin, wie damals, in der küche am fenster smokend, während die anderen lachen und spielen und fotos bestaunen. glückliche kinder, mit ihren geschenken beschäftigt und ein mir rausgerutschtes "schatz" zu meinem gatten..

einfach geschehen lassen, und annehmen. der tag war schön, alles andere wäre gelogen;-))
ich wünsche dir eine schöne woche und viele glückliche momente im leben. weil das leben so lebenswert ist!

fühl dich mal gedrückt von der ollen kandis;-))

rosmarin - 28. Dez, 01:06

jetzt sitzt mal wieder ein fetter frosch in meiner kehle, und ich weiß nicht was ich schreiben soll.
so kluges und treffendes steht oben.
*zieht ihren hut voller sympathie und nickt zustimmend*

Jossele - 29. Dez, 10:14

Als wäre Weihnachten jeh einfach gewesen. So viel ist hineingepackt in die paar Tage, soviel, das eigentlich kaum zu erfüllen ist.
Ein wenig im Stillen weinen, weil wozu stark sein?

Kind sein ist ja immer, und da hat man dankbar zu sein für alles, weil es doch für das Kind geschieht. Zornig darf es nicht sein, weil sowas tut ein dankbares Kind nicht, oder die Frau, oder die Freundin ...

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