15
Feb
2009

Spurensuche

So gerne hätte ich Kunst gemacht, irgendwas Unsterbliches, was bleibt. Und doch ist es mir nie gelungen. Die Gründe dafür sind wohl ebenso mannigfaltig wie einleuchtend: zu wenig Talent, zu wenig Zeit, zu wenig Engagement, zu wenig Konsequenz, zu wenig Leid, zu wenig Kraft.

Und so habe ich mich auf die Funktion der Muse beschränkt, um meine Spuren am Parnass zu hinterlassen. Stolz blicke ich zurück auf lautes Kreischen bei einem Live-Mitschnitt, zwei Danksagungen in längst vergriffenen Büchern, ein Zitat in einem jüngst erschienen, Credits am jüngsten Werk des Erstgeborenen – das ist mein Quäntchen an Unsterblichkeit.

Vielleicht hat der Sänger nach jener Nacht vor langer Zeit bei einem seiner Songs an mich gedacht, vielleicht hat der traurige, junge Dichter mir eines seiner verzweifelten Wortgewitter gewidmet, vielleicht hat der Maler seine Enttäuschung in Farben gegossen – das weiß ich nicht und muss ich auch nicht wissen.

Allein die Möglichkeit zählt in Fragen der Unsterblichkeit.

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10
Feb
2009

Soulfood and Soulmates

Freitag war es und zwar wirklich. Ein kleines Fest voll Reichtum und Wohlstand. Der Erstgeborene schenkte Schallplatten zum Geburtstag mit leichter Verspätung und umso mehr Seele. Sam Cookes wunderbare Welt und andere Kostbarkeiten. Ich hab Brot gebacken und Salat gemacht mit Avocado, Mango, Sellerie. Dazu tranken wir vom feinen Cremant, von der schwarzen Königin, und noch mehr. Schwarze Musik, schwarzer Humor und schwarze Gedanken zum Kärntner Wahlk(r)ampf.

Am nächsten Tag dann gleich noch einmal der Erstgeborene. Die zweite Wärmespendergala mit herzerwärmenden Suppen und ebensolcher Musik ging über die Bühne des Porgy&Bess. Viel gefiel: die schräge Gustav, Ernst Molden besser denn je und die Legende Karl Ratzer.

Mit dem Liebsten und mir eine Runde alter Freunde. Mit manchen von ihnen haben wir viel erlebt. Gemeinsam gearbeitet, gelebt, gesoffen, gefressen, Konzerte besucht, auf Fußböden übernachtet, auf Urlaub gewesen – und doch so fremd. Bin es ich, die auch die Freundin hinter einer Schicht aus flüssigem Glas, die aber kühl, nicht heiß ist, wahr nimmt? Ist es das veränderte Leben ohne Tischtuch? Oder einfach die Zeit, die uns entfernt hat, obwohl wir – dank Facebook – so gut über die Banalitäten unseres Alltags Bescheid wissen wie nie zuvor. Status Report statt Gefühlen. Später dann unten auf der Tanzfläche hab ich wieder gespürt, dass ich lebe und liebe. Noch immer.

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1
Feb
2009

Zen oder die Liebe

Allein mit der Mutter, ihrem Schmerz, ihrer Einsamkeit, ihrer Angst. Heute morgen die Erkenntnis: Es ist nicht anders als Sitzen. Einfach hinnehmen, annehmen, wozu Widerspruch, muss ich mich doch nicht verteidigen, sie wird mein Leben nicht ändern, dass sie es versucht ist legitim: Sie hat es mir geschenkt. Und so gehorche ich, nicht voreilig, eifrig und aufgeregt wie früher sondern auf Zuruf. Ich höre auf um meine Erinnerungen zu kämpfen. Auch wenn ihre anders sind, sind meine nicht mehr oder nicht weniger wahr. Wir trauern um denselben, doch jede hat ihre Trauer, jede spricht mit einem anderen, nur selten treffen wir uns. Wenn der Schmerz groβ ist, verletzt sie, das war schon immer so. Scharf und spitz werden ihre Worte dann, die sie erst nach mir und wenn das vergebens ist, nach jenen, die ich liebe, schleudert. Und doch sind diese wohlplatzierten Nadelstiche eigentlich nicht anders als das scheinbar unerträgliche Jucken an der Nasenspitze, der eingeschlafene Fuβ, wenn ich sitze. Ich atme aus. Sie ist meine Meisterin - nicht fragen, nicht widersprechen. Das hieβe nur den Affen Ego zu füttern.

Wer bin ich, zu glauben, dass ich die Mutter ändern kann, dass ich irgendjemanden,irgendetwas ändern kann. Die Zeit die uns noch bleibt, bleibt mir sie zu lieben.

Und Auszuatmen.

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28
Jan
2009

Maschinendichtung 0901: Ein ganz normaler Samstagnachmittag

Und wieder einmal Fremdarbeit aus dem Generator.

Ein ganz normaler Samstagnachmittag


Was blieb: ein Bach murmelt in C, endlch wieder Joachim-Ernst Behrendt lesen, alle Gold dieser Erde ergäbe einen Würfel, der unter den Pullover zu fahren und die Nägel.
das war besser in meinem Leben." Was, was du gesehnt, Dein, was du gestritten!
Sopran: O glaube: Du wardst nicht umsonst geboren!
Hast nicht umsonst gelebt, gelitten!
Chor: Was entstanden ist, das muss vergehen!
Was vergangen, auferstehen!

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27
Jan
2009

Glück und Glas

Wenn Väter und Söhne, Freundinnen und Seelenverwandte, gleich mehrere Generationen an einem großen Tisch mit Seele Gekochtes gemeinsam verspeisen, hat das immer etwas von einem Familienfest. Und so war es auch bei diesem Essen, das zu meinen Ehren statt fand. Viel Liebe habe ich erfahren, Wärme und Herzlichkeit. Und doch war es mir, als würden sie eine andere feiern, die wilde, lustige Grenzgängerin, die vom Kalenderbild des Vorjahres lacht.

Am Tisch saß die Tochter, die ihren Vater vermisst, der an einem Sonntag im September alle Sicherheit verloren ging, weggerissen wie in dem Zaubertrick, wo einer ein Tischtuch vom Tisch zieht und das Geschirr bleibt stehen. Man kann noch immer essen und trinken an dem Tisch, eine Milchkännchen ist vielleicht zerbrochen oder eine Zuckerdose, sonst hat sich wenig verändert. Der Klang vielleicht, Besteck und Gläser machen Geräusche, wenn man sie auf dem nun mehr unbedeckten Tisch abstellt, verschütterter Wein breitet sich aus, fließt vielleicht sogar zu Boden, würde mir das Glas aus der Hand fallen, würde es den Tisch beschädigen, wenn es an ihm zerschellt. Und davor habe ich Angst. Die Vatersangst, die mich sicher macht, während einer Rede, eines Vortrags, die mich zittern lässt im Gespräch mit Freunden.

Es könnte mir ja das Glas aus der Hand fallen. Es kann immer etwas zu Bruch gehen.
Und wenn es fällt und wenn es bricht, wird alles anders sein. Und nichts.


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19
Jan
2009

Vierer Pasch

44 ist eine fröhliche Zahl und ein wenig Fröhlichkeit könnte ich wieder brauchen in meinem so veränderten Leben. Daher gestern noch fröhlich gefeiert mit meinen beiden Lieblingsmännern und das Leben für ein paar Stunden rosa gesehen.

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16
Jan
2009

Rosaroter Frauen-Kram

Was meinen Körper angeht, geht es mir wie den meisten Frauen: Ich bin nicht ganz zufrieden. Die Oberschenkel sind zu fett, das darüber soundso - auch wenn der Liebste das Gegenteil behauptet. Auch die Waden könnten schlanker sein, meine Taille ist ähnlich platt wie meine Füße, die breiten Schultern und der dicke Hals (Blähhals nannte ihn die Mutter) tun ihr Übriges zum Gesamteindruck. Aber mein Busen. Mein Busen ist wunderschön.

Das war nicht immer so. Konrad haben die Jungs die Mock Turtle genannt, wegen der knabenhaften Figur und wohl auch wegen des bubenhaften Auftretens. Wie beneidete sie beste Freundin um die vollen Brüste. Eine Handvoll und nicht mehr, mehr davon ist ordinär, tröstete die Mutter. Aber wessen Hand, überlegte die Turtle, und ob ordinär in dem Fall wirklich so schlimm wäre, bezweifelte sie auch. Irgendwann hatte die Göttin dann doch ein Einsehen und er ist gewachsen.

"Du hast meinen Busen geerbt", erklärte Mama stolz, denn ihrer ist noch jenseits der 70 stramm, fest und rund. So wie meiner, der einen BH eher zur Betonung als zum Halt braucht. Ich zeig ihn gerne her unter engen Bodies oder fein angerichtet im Dekolletee. Und ordinär ist er noch immer nicht, voll und schwer passt er genau in die Hand des Liebsten. Meine Brüste haben kecke kleine Spitzen. Sie gefallen Männern und das gefällt mir. Ich genieße es.

Besondere Sorgen habe ich mir nie gemacht, war zwar theoretisch wohl informiert aber praktisch sah ich wenig Grund zu regelmäßiger Brustuntersuchung. Erst als die Cousine Brustkrebs bekam, wurde ich nervös. Aber die Verursacher der Ängste entpuppten sich als harmlose Zysten. "Unterfutter für meinen Busen" nannte ich sie und versuchte mir die Knötchen als eine Art internen Wonderbra schön zu reden. "Fibrozystische Mastopathie" lautet die Diagnose - mostly harmless.

Nur manchmal werde ich nervös, wie jüngst als sich auf der Linken etwas entzündete. Im Gegensatz zu manch anderen Frauen habe meine keine Namen, sie heißen weder Ernie und Bert noch Hans und Franz sondern einfach die linke und die rechte Brust, gern auch das Brüstel. "Kein Grund zur Panik" sagt die Ärztin und "nur zur Sicherheit" solle ich den Busen untersuchen lassen. Unsicherheit macht sich in mir breit. "Am besten Morgen" ergänzt sie und die Furcht steigt in mir hoch. Das ginge nicht, räume ich ein und wir einigen uns auf den erstmöglichen Termin, drei Tage später - heute.

Als ich ihr Zimmer verlasse, treffe ich im Warteraum eine Ex-Kollegin. Brustkrebs fällt mir ein, während ich sie erkenne, weil ihre Mutter dran gestorben war, hatte sie sich immer vor Brustkrebs gefürchtet. "Vor vier Jahren", erklärt sie wenig später und erzählt von mehreren Operationen. Ich höre nicht wirklich zu, überlege: Hat sie mich an ihren Busen gedrückt? Und plötzlich ist die ganze Welt rosarot, Pink Ribbon Kampagnen in jeder zweiten Zeitung, überall das Wort Brustkrebs, ich sehe auf der Straße Frauen, die Kopftücher nicht aus religiösen Gründen tragen und solche, deren Gesicht die Spuren der Chemo aufweist. Keine Panik, sage ich mir und fürchte mich doch. Der Mutter sag ich nichts, soll sich doch Mama nicht Sorgen um meine Mamma machen.

Im öffentlichen Krankenhaus, in dem mir die Ärztin einen Termin bei ihrer Kollegin zur "Second Opinion" verschafft hat, warte ich. Überall rosarote Brustkrebsbroschüren. Ich blättere ein wenig darin herum. Alles schon tausendmal gelesen, selbst Informationen zusammen gesucht im Job, privat. Keine Lust das Feuer der Angst damit weiter zu schüren. Paare huschen vorbei, türkischer, arabischer, afrikanischer Herkunft. Die Männer begleiten die Frauen mit den Kopftüchern und den langen Mänteln, sprechen für sie, selbst der Sprache nicht wirklich mächtig. Ein junges Paar untersucht neugierig ein Werbegeschenkspaket für die Schwangerschaft. Sie wirken nicht glücklich, erfreut vielleicht, aber nicht glücklich. Die Frau rechts neben mir, die allein da ist, hat das gleiche Paket. Sie packt nicht aus. Sie wirkt nicht traurig, müde vielleicht, aber nicht traurig.

Endlich werde ich aufgerufen. Viel zu laut schließe ich die Türe hinter mir und mache wie geheißen den Oberkörper frei. Meine Brüste wölben sich mir aus dem fleischfarbenen BH mit den festen aber nicht harten Schalen entgegen. Heute wollte ich sie schützen und stützen. Ich streichle noch einmal schnell über die böse Stelle und dann im Ausgleich die andere Brust auch noch. Ich liebe meinen Busen.

Kurz darauf fährt die Ärztin mit dem Ultraschallscanner über meine gegelte Brust. Eine sympathische Frau um die Fünfzig mit beruhigender Ausstrahlung und graugrüne Augen hinter den dünnen Brillen. Tausende Frauen sind wohl schon so vor ihr gelegen, tausende Brüste hat sie gescannt, Mein Blick pendelt zwischen dem Bildschirm und ihrem Gesicht. Der Bildschirm zeigt Mondlandschaften mit Kratern. Die Krater sind die Zysten. Sie misst sie ab, spürt sie auf, fragt nach, erklärt. Verhärtungen, Verkalkungen, kein besonderer Grund zur Beunruhigung, aber sicher ist sicher.

Ob ich es noch drei Wochen aushalten würde, die Ungewissheit, will sie dann wissen. Oder ob ich gleich heute eine Gewebeprobe entnehmen lassen möchte. "Das erhöht gar kein Risiko", versichert sie mir: "Selbst wenn es böse wäre. Aber viele Frauen ertragen die Unsicherheit nicht." Ja ich warte, entscheide ich. Ob jetzt oder später, nichts ist sicher, alles ist unsicher, que sera, sera.

Ich lass mir nicht gern ins Brüstel stechen, ins linke.
"Vielleicht ist nur unser Herz ein wenig geschwollen", mutmaßt die Mock Turtle.

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12
Jan
2009

Just so

The Good life: Hank Mobley, a glass of Cremant and Friday.

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514 mal erzählt
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Mock Turtle

Sit down, both of you, and don't speak a word till I've finished

Who sits there?

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Im Bilde

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Soundtrack

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