Und wenn sie nicht…
Das Leben geht weiter. Uns bleiben noch Monate. Ab morgen sitzen wir wieder auf unseren Koffern – die zweite Generation Amseln ist ausgezogen, draußen blühen die Rosen und morgen hol ich Mama nach Hause. Dazwischen liegen vier Tage Heimaturlaub am Vorderdeck mit NiMiversum und Freitag und Brotbacken und Kaiserwasser. Am Bahnhof erwartet mit Lilien und Liebe. Das kleine riesengroße Glück – diesmal ohne Redaktionssitzung und große lächerliche Dramen. Und doch taumle ich durch dieses Leben, weiß nicht, wen anrufen, wen sehen, was tun.
Der Zufall führt Regie, heißt eine billige journalistische Floskel – und das macht er gut, der Zufall. Denn es fällt mir die junge Frau zu, deren Engagement ich schon so viele Jahre bewundere und schätze. Auch sie mit kranker Mutter, der Tumor sitzt im Kopf, Wachkoma – wir essen, weinen und lachen. Eben hat noch ein Anruf mich an die Ketten erinnert, die ich nicht ablegen kann. Will – sagt der Anruf, irgendwie oder zumindest glaube ich es so zu verstehen. Einen Tag vorher hat mir die Schwiegercousine noch gesagt, dass wir es alle zusammen schaffen, dass wir zusammen halten und ich manchmal heim kann. Jetzt ist es schwierig, sagt ihr Mann, der Lieblingscousin, der Neffe, dem die Tante regelmäßig eine Jause ins Internat gebracht hat. Wegen der Kinder und überhaupt, die Tante sei verwöhnt und da gehören zwei dazu. Man müsse sie erziehen, hätte sie erziehen müssen. Ich hab ein Lieblingskleid an, stehe vor dem Plattenspieler, wandere durch die Räume, während ich telefoniere, fassungslos, verzweifelnd, rechtfertigend.
„Großartig“ finden sie es, eine „Chance“, die Männer, für sie käme das nicht in Frage, immerhin sind sie engagierte Väter oder machen Filme. Differenzierter sehen es die Frauen, Angst in ihren Augen, sie verstehen die Dimension, ich erzähle meine Geschichte, zu oft?
Rausch und Wirklichkeit. Es ist Freitag Abend, genug der Galgenlieder und Champagner ohne Ende. Und dann der Anruf: „Vergisst du die Mama nicht?“ Wie könnte ich? Laß es so, bitte ich den Erstgeborenen, mich. Ich laß es – so.
Wieder zurück ist die Mutter sanft und dankbar, sie hat mich vermisst - auch verwirrt. Zärtlich greift sie nach meiner Hand während wir von Station zu Station ziehen: Spülen der Drainage, Röntgen, Ultraschall, der Arm. Manchmal blitzen ihre Augen keck, meist blicken sie in eine unbekannte Ferne. Sie träumt vom Essen, einem Hochbeet, dass sie aus dem 1. Offizier einen 1. Gärtner machen kann. Das Leben geht weiter – Rosen säumen den Weg, die nächsten Amseljungen sind flügge geworden, im Dachstuhl haben andere ihr Nest gebaut, die Klinkerfliesen brechen, der Himmelschlüssel blüht nicht mehr, wir sitzen auf unseren Koffern. Wir haben die Heizung wieder angedreht, der Kühlschrank ist wohl gefüllt, ich wische die Stiegen, mache Betten und bügle. Daheim bin ich woanders.
„Wie schön wir es haben werden“, sagt die Mutter mit diesem Blick. Die Dame im Nachbarbett lächelte, eine echte Dame wie mir Mama halblaut versichert, aus gutem Haus, die ihre Strümpfe stopft. Stimmbandlähmung, erklärt sie mir mit heiserer Stimme, ihr Klingelton ist die „Peer Gynt Suite“, manchmal liest sie Noten. Als ich komme sitzen die beiden Damen zu Tisch, rebellierend – die Krankenhauskost. Ein bisschen stehe ich im Kinder-Wettbewerb, während ich zwischen den beiden sitze – praktische Tiroler Kurzhaarfrisur, starke Frauen mit schönen Beinen und der Liebe ihrer Kinder.
Und dann diese Menschen – Pflegepersonal. Männer wie Frauen, die einzigen, die verstehen können, was wir hier leben neben dem 1. Offizier, der dieses Leben an seinen Wochenenden teilt. Und den ich so liebe. Meistens hat sie Respekt vor ihnen wie vor allen, die ihr Leben mit ihrer Hände Kraft verdienen. Aber diese Menschen geben mehr, sehr viel Seelenwärme und meine große Hoffnung ist, dass es mir im nächsten Teil meines Lebens gelingen wird, ihnen einiges davon zurückzugeben. Und draußen blühen die Rosen und die Amseln nisten im Gebälk.
Der Zufall führt Regie, heißt eine billige journalistische Floskel – und das macht er gut, der Zufall. Denn es fällt mir die junge Frau zu, deren Engagement ich schon so viele Jahre bewundere und schätze. Auch sie mit kranker Mutter, der Tumor sitzt im Kopf, Wachkoma – wir essen, weinen und lachen. Eben hat noch ein Anruf mich an die Ketten erinnert, die ich nicht ablegen kann. Will – sagt der Anruf, irgendwie oder zumindest glaube ich es so zu verstehen. Einen Tag vorher hat mir die Schwiegercousine noch gesagt, dass wir es alle zusammen schaffen, dass wir zusammen halten und ich manchmal heim kann. Jetzt ist es schwierig, sagt ihr Mann, der Lieblingscousin, der Neffe, dem die Tante regelmäßig eine Jause ins Internat gebracht hat. Wegen der Kinder und überhaupt, die Tante sei verwöhnt und da gehören zwei dazu. Man müsse sie erziehen, hätte sie erziehen müssen. Ich hab ein Lieblingskleid an, stehe vor dem Plattenspieler, wandere durch die Räume, während ich telefoniere, fassungslos, verzweifelnd, rechtfertigend.
„Großartig“ finden sie es, eine „Chance“, die Männer, für sie käme das nicht in Frage, immerhin sind sie engagierte Väter oder machen Filme. Differenzierter sehen es die Frauen, Angst in ihren Augen, sie verstehen die Dimension, ich erzähle meine Geschichte, zu oft?
Rausch und Wirklichkeit. Es ist Freitag Abend, genug der Galgenlieder und Champagner ohne Ende. Und dann der Anruf: „Vergisst du die Mama nicht?“ Wie könnte ich? Laß es so, bitte ich den Erstgeborenen, mich. Ich laß es – so.
Wieder zurück ist die Mutter sanft und dankbar, sie hat mich vermisst - auch verwirrt. Zärtlich greift sie nach meiner Hand während wir von Station zu Station ziehen: Spülen der Drainage, Röntgen, Ultraschall, der Arm. Manchmal blitzen ihre Augen keck, meist blicken sie in eine unbekannte Ferne. Sie träumt vom Essen, einem Hochbeet, dass sie aus dem 1. Offizier einen 1. Gärtner machen kann. Das Leben geht weiter – Rosen säumen den Weg, die nächsten Amseljungen sind flügge geworden, im Dachstuhl haben andere ihr Nest gebaut, die Klinkerfliesen brechen, der Himmelschlüssel blüht nicht mehr, wir sitzen auf unseren Koffern. Wir haben die Heizung wieder angedreht, der Kühlschrank ist wohl gefüllt, ich wische die Stiegen, mache Betten und bügle. Daheim bin ich woanders.
„Wie schön wir es haben werden“, sagt die Mutter mit diesem Blick. Die Dame im Nachbarbett lächelte, eine echte Dame wie mir Mama halblaut versichert, aus gutem Haus, die ihre Strümpfe stopft. Stimmbandlähmung, erklärt sie mir mit heiserer Stimme, ihr Klingelton ist die „Peer Gynt Suite“, manchmal liest sie Noten. Als ich komme sitzen die beiden Damen zu Tisch, rebellierend – die Krankenhauskost. Ein bisschen stehe ich im Kinder-Wettbewerb, während ich zwischen den beiden sitze – praktische Tiroler Kurzhaarfrisur, starke Frauen mit schönen Beinen und der Liebe ihrer Kinder.
Und dann diese Menschen – Pflegepersonal. Männer wie Frauen, die einzigen, die verstehen können, was wir hier leben neben dem 1. Offizier, der dieses Leben an seinen Wochenenden teilt. Und den ich so liebe. Meistens hat sie Respekt vor ihnen wie vor allen, die ihr Leben mit ihrer Hände Kraft verdienen. Aber diese Menschen geben mehr, sehr viel Seelenwärme und meine große Hoffnung ist, dass es mir im nächsten Teil meines Lebens gelingen wird, ihnen einiges davon zurückzugeben. Und draußen blühen die Rosen und die Amseln nisten im Gebälk.
katiza - 27. Mai, 19:27
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