Stormy weather
Jetzt ist er also da, der Föhn. Schon seit ich wieder in der fremden Kindheitsheimat angekommen bin, zählt die Mutter seine Vorboten: die Wolken, die klare Luft, die hohen Temperaturen, der Anruf der Schwägerin, die Betrunkenen auf den Straßen, unkonzentrierte Autofahrer und ihre und meine Launen. Jetzt ist er da und stürmt durch Kopf und Seele, rückt die Berge erschreckend nahe und lässt die Mutter Messer wetzen. Böse, schimpft sie mich, gemein und undankbar, schon wieder packt sie die 50 Jahre alten Geschichten voller Hass und Verzweiflung aus, alle Register zieht sie, bis ich aufbrause, letztendlich weine und fliehe.
Schon gestern ist der Föhn über die Stadt und uns hereingebrochen. Gestern also habe ich mich auf die Hungerburg geflüchtet, alleine, die Mutter war zu erschöpft für einen Ausflug mit der neuen Bahn. Und so fuhr ich mit dem Bus in die Stadt, wie ich es zuletzt vor mehr als 20 Jahren gemacht habe, ging den vertrauten Weg zur vertrauten Haltestelle und war doch eine Neue, Andere. Alle sieben Jahre, sagt man ändere sich der Mensch, seien alle Zellen ersetzt, erneuert. Die Erinnerungen bleiben und tauchten auf mit jedem Schritt, mit dem ich die vertrauten Wege abging. Erst unsicher und suchend, dann immer mehr wiedererkennend. Als Kind war die Mutter hier mit mir spazieren, später als Teenager war ich auf der Seegrube Schifahren und noch später saß ich mit dem netten schwulen wohlbeleibten Radiomoderator in der „Frau Hitt“ auf ein Bier. Und dann die Stelle am Inn, wo ich als Mädchen dem Fotografen Modell saß, die Bushaltestelle, wo ich auf den Bus wartete nachdem ich zur Frau geworden war, gleich ums Eck von meinem Kindergarten. Hier ein Plätzchen, wo wir heimlich gekifft haben, dort eines, wo ich innige Küsse getauscht hab und da hab ich geweint.
Abends dann ein Treffen mit der Vergangenheit, mit einer Schulkollegin, ja, Freundin von damals. Vertraute Fremde, wie anders ist mein Leben verlaufen als ihres und doch treffen wir uns da und dort wieder, Frauen in der Lebensmitte eben. Cafe Central, Kellertheater, Landesstudio, all das lässt mich ahnen, wie es gewesen wäre, ich gelebt hätte, wäre ich nicht nach Wien gegangen. Reich beschenkt hat mich das Leben; das ist mir wohl bewusst. Auch wenn die Mock Turtle immer wieder tief drinnen ihr pathetisches Klagelied anstimmt, in das ich oft zu gerne einstimme, mein Leben ist voll von Geschenken und Wundern.
In der Nacht hat dann der Föhn am alten Haus geruckelt, gezerrt, auch an den Nerven, an der Kraft und heute morgen brach dann der Hass hervor, stürmisch und böig, wie der warme Fallwind, der mich, uns taumelnd macht, fallen lässt, verfallen. Und plötzlich ist das kleine Mädchen wieder da, die kleine Turtle mit ihrem großen Schmerz und weil die Mutter nur mehr mit Worten zuschlägt, schlägt sie sich selbst mit Händen. Nur mehr bis morgen Abend muss ich hier bleiben, dann darf ich zurück in mein Leben, in dem doch jetzt auch nicht zuhause bin, in dem ich mich gerade eben neu einrichte. Stürmische Zeiten.

Schon gestern ist der Föhn über die Stadt und uns hereingebrochen. Gestern also habe ich mich auf die Hungerburg geflüchtet, alleine, die Mutter war zu erschöpft für einen Ausflug mit der neuen Bahn. Und so fuhr ich mit dem Bus in die Stadt, wie ich es zuletzt vor mehr als 20 Jahren gemacht habe, ging den vertrauten Weg zur vertrauten Haltestelle und war doch eine Neue, Andere. Alle sieben Jahre, sagt man ändere sich der Mensch, seien alle Zellen ersetzt, erneuert. Die Erinnerungen bleiben und tauchten auf mit jedem Schritt, mit dem ich die vertrauten Wege abging. Erst unsicher und suchend, dann immer mehr wiedererkennend. Als Kind war die Mutter hier mit mir spazieren, später als Teenager war ich auf der Seegrube Schifahren und noch später saß ich mit dem netten schwulen wohlbeleibten Radiomoderator in der „Frau Hitt“ auf ein Bier. Und dann die Stelle am Inn, wo ich als Mädchen dem Fotografen Modell saß, die Bushaltestelle, wo ich auf den Bus wartete nachdem ich zur Frau geworden war, gleich ums Eck von meinem Kindergarten. Hier ein Plätzchen, wo wir heimlich gekifft haben, dort eines, wo ich innige Küsse getauscht hab und da hab ich geweint.
Abends dann ein Treffen mit der Vergangenheit, mit einer Schulkollegin, ja, Freundin von damals. Vertraute Fremde, wie anders ist mein Leben verlaufen als ihres und doch treffen wir uns da und dort wieder, Frauen in der Lebensmitte eben. Cafe Central, Kellertheater, Landesstudio, all das lässt mich ahnen, wie es gewesen wäre, ich gelebt hätte, wäre ich nicht nach Wien gegangen. Reich beschenkt hat mich das Leben; das ist mir wohl bewusst. Auch wenn die Mock Turtle immer wieder tief drinnen ihr pathetisches Klagelied anstimmt, in das ich oft zu gerne einstimme, mein Leben ist voll von Geschenken und Wundern.
In der Nacht hat dann der Föhn am alten Haus geruckelt, gezerrt, auch an den Nerven, an der Kraft und heute morgen brach dann der Hass hervor, stürmisch und böig, wie der warme Fallwind, der mich, uns taumelnd macht, fallen lässt, verfallen. Und plötzlich ist das kleine Mädchen wieder da, die kleine Turtle mit ihrem großen Schmerz und weil die Mutter nur mehr mit Worten zuschlägt, schlägt sie sich selbst mit Händen. Nur mehr bis morgen Abend muss ich hier bleiben, dann darf ich zurück in mein Leben, in dem doch jetzt auch nicht zuhause bin, in dem ich mich gerade eben neu einrichte. Stürmische Zeiten.

katiza - 31. Okt, 12:45
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