Wiener Begegnung
Er hatte mich ins Auge gefasst und ging zielstrebig auf mich zu. Ich hatte ihn schon während der Diskussion bemerkt gehabt – was nicht weiter verwunderlich ist, da nicht viel mehr als 50 Leute gekommen waren, viele bekannte Gesichter, vertraute Augenpaare, sich daran festzuhalten. Die beiden älteren Herren, die ich zum ersten Mal bei einer unserer Veranstaltungen bemerkt hatte, saßen in der dritten Reihe. Einer von beiden meldete sich auch zu Wort, der andere kam jetzt nach Ende der Diskussion auf mich zu.
Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose, Hosenträger und eine Brille, deren rechte Scheibe mit Leukoplast verklebt war. Er war noch ein paar Meter von mir entfernt als ich ihn schon roch, diesen unangenehm süß-säuerlichen Altmännergeruch. Da begann er auch schon zu sprechen mit erhobenem Finger näher kommend: „Noch einmal zu den Ausländern, so einfach ist das nicht“, nahm er auf die Wortmeldungen zur zunehmenden Entsolidarisierung Bezug. Jetzt stand er direkt vor mir, viel zu nahe, zwischen uns sein mächtiger schwarzer Bauch und dieser Geruch, der mich ein wenig zurückweichen ließ. „Genossin“, sagte er jetzt und ergänzte: „Nehm ich an.“
Ich lächelte. Ich bin keine Genossin, ich bin eine philosophische Linke, aber Genossin keine. Obwohl das viele annehmen auf Grund meiner Arbeit. Vielleicht hat mich auch deshalb nie jemand versucht anzuwerben. Und so lächelte ich und schwieg. Auch aus Feigheit – muss ja niemand so genau wissen, dass ich keine Genossin bin, dort.
„Das ist einfach schwierig mit den Ausländern – vor allem in den Arbeiterbezirken…“, rechtfertigte er die Parteilinie. Ich stand zwischen zwei klugen jungen Frauen von ATTAC. Blickwechsel aus dem Augenwinkel, während der Mann von der Sauna in Favoriten erzählte und den Sorgen der ehemaligen SPÖ-Wähler dort, die längst nach rechts abgedriftet sind. „Wegen der Ausländer im Gemeindebau und so.“ Manche Sätze klangen schon sehr nach Herr Karl. Freundlich bleiben, mahnte ich mich. Zuhören, immer zuhören. Ein alter Mensch, im Alter meiner Eltern, der hat doch auch etwas zu sagen. Er war gebildet, gepflegte Sprache. Wenn ich in seinem Redefluss zu Wort kam, versuchte ich Einwände unterzubringen: „Keine Parteilinie, kaum jemand bezieht Position, schon ein bissl feig, schwammig…“
Die Grünen wären ja auch naiv, erklärte er und wandte sich an die ATTAC-Ökonomin: „Sie sind ja sicher eine Grüne..“ Sie verneinte amüsiert. Der alte Mann mit seinen Schubladen. Manchmal nahm er die Brille ab und putzte die nicht abgeklebte Scheibe. Wohl auf dem rechten Auge blind. Dann kam er mir noch näher und ich versuchte während ich zurück wich, zwischen den Falten seine Augen zu erkennen. Wortlos kommunizierten wir, drei freundliche, kluge Frauen, die gerne gehen wollten. Es war schon halb zehn und fast alle anderen waren schon weg, auch die befreundete Politikerin mit der ich noch auf ein Glas wollte. Aber zwischen uns und dem Ausgang standen dieser Mann und seine Parteinahme.
Und doch zu höflich ihn zu unterbrechen. Und gebauchpinselt, weil er die Moderatorin, mich, gelobt hat. Nach weiteren Veranstaltungen dieser Art erkundigte er sich und bat um schriftliche Verständigung, noch bevor ich antworten konnte, schrieb er seine Adresse mit schöner geschwungener Schrift auf einen Zettel. „Wissen Sie“, sagte er während er den Zettel faltete und mir übergab: „Ich war einer der wenigen ehemaligen KZ-Häftlinge, der zur SPÖ gegangen ist und nicht zu den Kommunisten…“

Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose, Hosenträger und eine Brille, deren rechte Scheibe mit Leukoplast verklebt war. Er war noch ein paar Meter von mir entfernt als ich ihn schon roch, diesen unangenehm süß-säuerlichen Altmännergeruch. Da begann er auch schon zu sprechen mit erhobenem Finger näher kommend: „Noch einmal zu den Ausländern, so einfach ist das nicht“, nahm er auf die Wortmeldungen zur zunehmenden Entsolidarisierung Bezug. Jetzt stand er direkt vor mir, viel zu nahe, zwischen uns sein mächtiger schwarzer Bauch und dieser Geruch, der mich ein wenig zurückweichen ließ. „Genossin“, sagte er jetzt und ergänzte: „Nehm ich an.“
Ich lächelte. Ich bin keine Genossin, ich bin eine philosophische Linke, aber Genossin keine. Obwohl das viele annehmen auf Grund meiner Arbeit. Vielleicht hat mich auch deshalb nie jemand versucht anzuwerben. Und so lächelte ich und schwieg. Auch aus Feigheit – muss ja niemand so genau wissen, dass ich keine Genossin bin, dort.
„Das ist einfach schwierig mit den Ausländern – vor allem in den Arbeiterbezirken…“, rechtfertigte er die Parteilinie. Ich stand zwischen zwei klugen jungen Frauen von ATTAC. Blickwechsel aus dem Augenwinkel, während der Mann von der Sauna in Favoriten erzählte und den Sorgen der ehemaligen SPÖ-Wähler dort, die längst nach rechts abgedriftet sind. „Wegen der Ausländer im Gemeindebau und so.“ Manche Sätze klangen schon sehr nach Herr Karl. Freundlich bleiben, mahnte ich mich. Zuhören, immer zuhören. Ein alter Mensch, im Alter meiner Eltern, der hat doch auch etwas zu sagen. Er war gebildet, gepflegte Sprache. Wenn ich in seinem Redefluss zu Wort kam, versuchte ich Einwände unterzubringen: „Keine Parteilinie, kaum jemand bezieht Position, schon ein bissl feig, schwammig…“
Die Grünen wären ja auch naiv, erklärte er und wandte sich an die ATTAC-Ökonomin: „Sie sind ja sicher eine Grüne..“ Sie verneinte amüsiert. Der alte Mann mit seinen Schubladen. Manchmal nahm er die Brille ab und putzte die nicht abgeklebte Scheibe. Wohl auf dem rechten Auge blind. Dann kam er mir noch näher und ich versuchte während ich zurück wich, zwischen den Falten seine Augen zu erkennen. Wortlos kommunizierten wir, drei freundliche, kluge Frauen, die gerne gehen wollten. Es war schon halb zehn und fast alle anderen waren schon weg, auch die befreundete Politikerin mit der ich noch auf ein Glas wollte. Aber zwischen uns und dem Ausgang standen dieser Mann und seine Parteinahme.
Und doch zu höflich ihn zu unterbrechen. Und gebauchpinselt, weil er die Moderatorin, mich, gelobt hat. Nach weiteren Veranstaltungen dieser Art erkundigte er sich und bat um schriftliche Verständigung, noch bevor ich antworten konnte, schrieb er seine Adresse mit schöner geschwungener Schrift auf einen Zettel. „Wissen Sie“, sagte er während er den Zettel faltete und mir übergab: „Ich war einer der wenigen ehemaligen KZ-Häftlinge, der zur SPÖ gegangen ist und nicht zu den Kommunisten…“

katiza - 3. Nov, 17:26
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