Mops (3)
"Nachbarin! Euer Fläschchen!" begrüßte sie Andreas, als Erika zum vereinbarten Zeitpunkt läutete. Triumphierend schwenkte er die Weißweinflasche. "Faust?" "Ich liebe gebildete Frauen…Willkommen!" Sie hatte Kuchen gebacken und Blumen gekauft, um nicht mit leeren Händen zu kommen. Tristan hatte sein Geld in Hundeleckereien investiert. Wohlerzogen gab er dem Gastgeber die Hand, hielt aber gleichzeitig nach Marcel Ausschau. "Der ist im Wohnzimmer – gib ihm nicht zu viel zu naschen", erklärte Andreas und führte Erika in die Küche. Dort wartete schon ein Glas Wein auf sie. "Als tüchtige Hausfrau hilfst du mir sicher, das Essen vorzubereiten – ach ja, ihr mögt hoffentlich Kürbissuppe." Schnell stellte sich bei ihr dasselbe wohlige Gefühl wie am Abend zuvor ein. "Du wolltest mir noch erzählen, was, also weshalb du und Georg…", fragte sie nach. Schon seit gestern plagte sie die Neugier. "Also deswegen bist du wieder gekommen, um dich an meinem Elend zu weiden." Erika erschrak immer ein wenig, wenn er so redete. Ironie war sie nicht gewohnt. Wie auch, ihr Hauptgesprächspartner war acht Jahre alt und Rudolf zog Zynismus vor. Andreas schien ihre Befangenheit zu erkennen. Er strahlte wie meistens und drückte ihr ein Schneidebrett und ein Küchenmesser in die Hand: "An die Arbeit Schätzchen, während wir Gemüse schnippseln, erzähle ich dir die schreckliche Wahrheit." Im Hintergrund sang Marianne Faithfull über Lucy Jordan, die sich mit 37 am Ende ihrer Illusionen vom Hausdach gestürzt hat. Andreas zeigte Erika, wie dünn sie den Lauch schneiden sollte und begann zu erzählen: "Natürlich war auch ich nicht immer treu, auch wenn wir Schwulen längst nicht so promiskuitiv sind, wie gerne behauptetet wird, wir saufen ja auch nicht ständig Prosecco, nicht wahr meine Liebe." Er stieß mit ihr an. Der Weißburgunder schmeckte auch heute noch hervorragend. Dann erzählte er von zwei, drei One-Night-Stands: "Bsoffene Gschichten. Die aufregendste war noch die mit Karl, dem Staatsanwalt. Der war schon in der Schule meine große Liebe. Dann haben wir uns wieder getroffen und ich hab die Gelegenheit beim Sch… Schopf ergriffen." "Er war auch schwul und du hast es nicht gewusst?" "Nein, verheiratet, zwei Kinder, aber zu neugierig, um sich die Gelegenheit auf ein Blaskonzert entgehen zu lassen", er kicherte zufrieden. Erika hörte auf zu schneiden. Sie sah ihn fassungslos an. Das alles klang doch etwas ungewöhnlich für sie. So etwas kannte sie nur aus dem Fernsehen. "Weiter arbeiten, Schätzchen, du willst mir doch nicht erzählen, dass du deinem Piloten immer treu warst." Doch, war sie. Einmal hatte Erika fremd geküsst. Bei einem Elternabend. Einen Ex. Sie hatte getrunken. Seitdem war sie vorsichtig - mit Alkohol und Elternabenden. Aber das wollte sie Andreas nicht erzählen.
(Fortsetzung folgt)
(Fortsetzung folgt)
katiza - 23. Sep, 19:35
5 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
609 mal erzählt