Cara Mia (2)
Caras Haus war wunderschön. Eine dieser alten toskanischen Villen. Lisa pflückte im riesigen verwilderten Garten Tomaten und Kräuter für Spaghetti. Sie war mitgekommen, weil ihr gar nichts anderes übrig geblieben war. "Du willst diesen Film doch auch erleben", hatte die Koboldfeenkönigin gesagt, als sie in ihrem klapprigen Fiat zum Haus unterwegs waren. Sie hatte das Fenster heruntergekurbelt und summte mit. Soul von der Kassette. "I'm the other woman" sang eine Frau.
"Wir werden morgen früh anfangen", Cara hatte eben ein Spaghetti genussvoll mit spitzen Lippen aufgesogen. Die Tomatensoße malte ihr rote Sommersprossen ins Gesicht. Der schlichte Holztisch war reich gedeckt: die Nudeln in einem großen gusseisernen Topf, eine Tonschüssel voll Salat, halbdunkles Brot, Käse und Prosciutto, ein Krug Wasser und eine Flasche Wein. Kein Tralala-Chianti, dachte Lisa und Erich kam ihr in den Sinn. Der Weinkenner und Chianti-Hasser - rasch verscheuchte sie ihn aus ihren Gedanken.
Was war ihr überhaupt eingefallen? Vor nicht einmal sechs Stunden hatte sie ihren Rucksack gepackt und das "Hotel Antica Torre" verlassen. Und damit auch Erich. Sie hatte endgültig die Nase voll von seiner selbstgefälligen Lebemann-Art. Am Abend zuvor hatte er in der wunderbaren kleinen Trattoria den Kellner schikaniert. Sie hatten deswegen die halbe Nacht gestritten. Oder besser gesagt, sie hatte gestritten. Er hatte versucht, sie zu beruhigen. In der Früh hatte sie dann ihren Rucksack gepackt und war gegangen. Wütend und weinend war sie durch die erwachende Stadt getaumelt. Irgendwann deponierte sie den Rucksack in einem Schließfach am Bahnhof.
Zurück in den engen Gassen der Stadt sah sie die Schuhe. Maßlos teuer und wunderschön. In dem kleinen Espresso neben dem Schuhgeschäft wusch sie sich das Gesicht und trug Lippenstift aus. Man sollte ihr ihren Frust zumindest nicht ansehen, wenn schon der Frustkauf unvermeidlich war. Noch während sie die Schuhe anprobierte kam Erichs erste SMS: "Alles OK? Love E." "Bei mir ja" antwortete sie nachdem sie den Kreditkartenbeleg unterschrieben hatte – dann schaltete sie das Handy aus.
Cara erzählte sie nichts von Erich. Sie wollte nicht wie eine Weggelaufene wirken. Dafür erzählte sie ihr so viel anderes bei der zweiten Flasche Wein: vom Leben, vom Lieben und vom Radio. Bei einem Spliff aus Caras im eigenem Garten gezogenem Gras entdeckten sie, dass sie manchmal dieselben Menschen portraitiert hatten: Lisa im Interview, Cara im Bild, Gianna Nannini und Andre Heller.
Wie schön Caras Stimme war, herb wie der Wein und doch so voll. Nicht zu tief, noch immer sehr weiblich, nur etwas angeraut. Und ihr Lachen, kräftig und voll. Lisa schloss immer wieder die Augen, um den Klang der Frau in sich aufzusaugen. Wenn sie sie wieder öffnete, war sie fasziniert vom Glanz des Mondlichts auf der gebräunten Haut der neuen Freundin. Es war zwei Uhr früh und noch immer heiß. Gerne hätte sie Cara berührt, vielleicht sogar geküsst, aber sie wollte warten, der Koboldfeenkönigin die Regie bei diesem Film überlassen.
(Fortsetzung folgt)

"Wir werden morgen früh anfangen", Cara hatte eben ein Spaghetti genussvoll mit spitzen Lippen aufgesogen. Die Tomatensoße malte ihr rote Sommersprossen ins Gesicht. Der schlichte Holztisch war reich gedeckt: die Nudeln in einem großen gusseisernen Topf, eine Tonschüssel voll Salat, halbdunkles Brot, Käse und Prosciutto, ein Krug Wasser und eine Flasche Wein. Kein Tralala-Chianti, dachte Lisa und Erich kam ihr in den Sinn. Der Weinkenner und Chianti-Hasser - rasch verscheuchte sie ihn aus ihren Gedanken.
Was war ihr überhaupt eingefallen? Vor nicht einmal sechs Stunden hatte sie ihren Rucksack gepackt und das "Hotel Antica Torre" verlassen. Und damit auch Erich. Sie hatte endgültig die Nase voll von seiner selbstgefälligen Lebemann-Art. Am Abend zuvor hatte er in der wunderbaren kleinen Trattoria den Kellner schikaniert. Sie hatten deswegen die halbe Nacht gestritten. Oder besser gesagt, sie hatte gestritten. Er hatte versucht, sie zu beruhigen. In der Früh hatte sie dann ihren Rucksack gepackt und war gegangen. Wütend und weinend war sie durch die erwachende Stadt getaumelt. Irgendwann deponierte sie den Rucksack in einem Schließfach am Bahnhof.
Zurück in den engen Gassen der Stadt sah sie die Schuhe. Maßlos teuer und wunderschön. In dem kleinen Espresso neben dem Schuhgeschäft wusch sie sich das Gesicht und trug Lippenstift aus. Man sollte ihr ihren Frust zumindest nicht ansehen, wenn schon der Frustkauf unvermeidlich war. Noch während sie die Schuhe anprobierte kam Erichs erste SMS: "Alles OK? Love E." "Bei mir ja" antwortete sie nachdem sie den Kreditkartenbeleg unterschrieben hatte – dann schaltete sie das Handy aus.
Cara erzählte sie nichts von Erich. Sie wollte nicht wie eine Weggelaufene wirken. Dafür erzählte sie ihr so viel anderes bei der zweiten Flasche Wein: vom Leben, vom Lieben und vom Radio. Bei einem Spliff aus Caras im eigenem Garten gezogenem Gras entdeckten sie, dass sie manchmal dieselben Menschen portraitiert hatten: Lisa im Interview, Cara im Bild, Gianna Nannini und Andre Heller.
Wie schön Caras Stimme war, herb wie der Wein und doch so voll. Nicht zu tief, noch immer sehr weiblich, nur etwas angeraut. Und ihr Lachen, kräftig und voll. Lisa schloss immer wieder die Augen, um den Klang der Frau in sich aufzusaugen. Wenn sie sie wieder öffnete, war sie fasziniert vom Glanz des Mondlichts auf der gebräunten Haut der neuen Freundin. Es war zwei Uhr früh und noch immer heiß. Gerne hätte sie Cara berührt, vielleicht sogar geküsst, aber sie wollte warten, der Koboldfeenkönigin die Regie bei diesem Film überlassen.
(Fortsetzung folgt)

katiza - 19. Jul, 07:12
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