18
Jul
2007

Cara Mia (1)

Es war trocken, heiß und ihre Füße taten ihr weh. Die Riemen der neuen Sandalen scheuerten an ihren schweißigen Fußballen. Die Schuhe bestanden lediglich aus zwei schmalen Lederbändchen und einer flachen Sohle und hatten sie zwei Stunden vorher ein Vermögen gekostet. Siena. Während sie sich zum Brunnen schleppte, verfluchte sie die Idee, die Schuhe sofort anzuziehen.

Später wollte sie denken, dass im selben Moment, in dem der kühle Wasserstrahl ihren wunden Ballen traf, ihre Augen in Caras Augen tauchten. Caras kühle Wasseraugen.

Sie war nicht lesbisch. Sie hatte zwei, drei mal mit Freundinnen rum gemacht - aber das war in ihrer Sturm-und-Drang-Phase. Zu viel Martini und Harold Robbins. Und Hunger auf Alles. Sie hatte aber auch nichts gegen Sex mit Frauen, der Gedanke gefiel ihr. Meistens, wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte, war ihr die Treue dazwischen gekommen. So oft hatte sich die Gelegenheit aber nicht ergeben.

Immer wieder hatte sie sich in Frauen verliebt. Meistens in die Frauen, in deren Männer sie bereits verliebt war - Dreiecksträume. Oder in Fremde mit Blicken wie Cara. So auch in Cara. "Schmerzhaft schön", sagten die atollgrünen Augen zu ihren Schuhen. In Wahrheit sagte es ein knallroter riesiger Mund in einem Porzellangesicht.

Cara war schön und sah wie eine Koboldfee aus - eine Koboldfeenkönigin. Sie betrachtete sie von unten, die Hand an ihrem Knöchel. Caras wilde blonde Haare verschmolzen mit der Sonne hinter ihrem Kopf. Sie streckte ihren Rücken durch bis sie mit der anderen Frau auf Augenhöhe war. Die beiden hatten den Blick nicht voneinander gelassen, breit lächelnd beide. Die Löwinnen zeigten Zähne, während sie Maß aneinander nahmen.

Dann merkte sie, dass sie noch immer mit einem Fuß im Brunnen stand. Im Lachen verbeugte sie sich wieder vor der Anderen. "Ja" war die überflüssige Antwort. Cara zog ihr wortlos die Schuhe aus und half ihr aus dem Brunnen. "Kaffee?"

"Ich würde dich gerne fotografieren", sagte Cara, kaum hatten sie sich vor dem kleinen Espresso niedergelassen. "Nackt" fügte sie lächelnd hinzu, noch bevor Lisa antworten konnte. Überhaupt war sie bisher kaum zu Wort gekommen. Die Koboldfeenkönigin hatte zielstrebig das winzige Lokal in der Seitengasse angestrebt und am Weg dorthin kein einziges Mal zu sprechen aufgehört. Sie schien die halbe Stadt zu kennen und grüßte in alle Richtungen während sie Lisa ihre Lebensgeschichte in Kurzform erzählte. Ihrer österreichischen Mutter hatte sie zu verdanken, dass sie fließend Deutsch sprach, aufgewachsen war sie in Mailand und am Comer See. Ihr Vater war Italiener und hatte Geld. Sie selbst lebte als freie Künstlerin in der Nähe von Siena.

"Schau nicht so entsetzt – ich brauche dich", Caras Augen blitzten: "Ich hab da so eine Idee." Lisa lachte verlegen. Sie fühlte sich zutiefst verunsichert und wusste nicht, was sie sagen sollte. "Espresso, prego", stieß sie schließlich hervor. "Schon besser", Caras Zähne standen leicht schief, Koboldfeenkönigin. In Lisas Kopf spielte sich ganz großer Bahnhof ab. Sie spürte wie ihr Zittern nahte. Sie war am Wort. Sie war Moderatorin. Sie hatte eine eigene Radiosendung, sie hatte Fans, moderierte Großveranstaltungen und war nie um eine Antwort verlegen und doch verschlug es ihr in Caras Gegenwart die Sprache.

"Du zitterst"
, Cara betrachtete sie neugierig und sie spürte wie ihr Zittern zum Beben wurde. Das war ihr seit Jahren nicht mehr passiert. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie dieses kleine zitternde Mädchen endlich hinter sich gelassen hatte und plötzlich war die alte Hilflosigkeit wieder gekehrt. Cara berührte Lisas Hand. "Keine Angst." Der Kellner brachte den Kaffee. (Fortsetzung folgt)

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